Essen.. Das Hochschulstudium hat an Exklusivität eingebüßt. Experten sehen in den nächsten Jahren gute Berufsperspektiven für Facharbeiter, die sich auch finanziell lohnen. Allein im Handwerk sind aktuell 23.000 Ausbildungsstellen unbesetzt.
Grundsätzlich hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan recht (CDU), wenn sie sagt, je länger ein Mensch lernt, desto besser seien seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. „Durch die Technisierung der Arbeit tragen besser Qualifizierte ein geringeres Risiko arbeitslos zu werden, als weniger gebildete Menschen“, sagt Axel Plünnecke, Bildungsexperte vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Bildung lohnt sich also immer. Nur muss man gleich studieren gehen?
Betriebe suchen Nachfolger
Nein, sagt Plünnecke. Zwar verdienen Akademiker im Schnitt 15 000 Euro im Jahr mehr als Meister oder Techniker, aber eben nicht in allen Berufsgruppen. Johanna Storck und Daniela Glocker haben für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ausgerechnet, dass Frauen ein Maschinenbaustudium nach dem Abschluss mit einem Stundenlohn von 9,22 Euro 71 Cent weniger einbringt, als eine Ausbildung im Bereich Elektrotechnik. Vorn dabei sind kaufmännische Ausbildungsberufe. Ein Versicherungskaufmann kann netto pro Stunde zwei Euro mehr einstreichen als ein Absolvent der Geschichtswissenschaften (10,36 Euro). Und dafür musste er nur zwei bis drei Jahre in die Lehre gehen. Unter fünf Jahren ist ein geisteswissenschaftliches Studium mit Master-Abschluss dagegen kaum zu absolvieren.
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Hinzu kommt noch, dass sich berufliche Ausbildungen schneller rentieren als ein Studium, selbst wenn noch Zusatz-Qualifikationen draufgesattelt werden – also kein Geld verdient wird. Wer sich nach seiner Lehre zum Techniker oder Meister weiterbildet, profitiert eher von der Investition in seine Ausbildung als so mancher Akademiker. Im Schnitt hat ein Meister oder Techniker seinen Einkommensverzicht in der Ausbildung mit 40 Jahren wieder aufgeholt, ein Hochschulabsolvent erst mit 43 Jahren.
Auch wenn 86 Prozent der Akademiker nach ihrem Abschluss eine Arbeit haben (Azubis 75 Prozent), weist Axel Plünnecke darauf hin, dass die Perspektive für Abiturienten mit Studienabsichten nicht automatisch gut ist. Auf Grund der Zunahme der Absolventen von Universität und Fachhochschule (29 Prozent eines Jahrgangs) stelle der Hochschulabschluss keine herausragende Qualifikation mehr dar.
Die letzte Sprosse der Karriereleiter
Derzeit schlage die Stunde für gut ausgebildete Praktiker: „Wir brauchen sie dringend. Die nachfolgenden Kohorten werden immer kleiner, so dass es schwierig wird, die Lücken zu schließen, die aus dem Berufsleben ausscheidende Facharbeiter in den kommenden Jahren hinterlassen.“ Besonders gesucht werden Auszubildende im Baugewerbe, Dachdecker, Kälteanlagenbauer und Elektroniker sowie Optiker und Hörgeräteakustiker. sagt Gabriele Robrecht von der Handwerkskammer Dortmund.
Und als Facharbeiter oder Meister muss die letzte Sprosse der Karriereleiter nicht erreicht sein. Künftig stehen die Chancen für einen Angestellten gut, ein Unternehmen zu übernehmen. Etwa 250 000 Handwerksbetriebe suchen bundesweit in den nächsten Jahren einen Nachfolger.