Brüssel/Berlin. . Bei Marathon-Gipfel in Brüssel setzen Italien und Spanien wichtige Korrekturen in der Euro-Politik durch. Deutschland verabschiedete sich von seinem harten Kurs. Teile von Union und FDP reagierten empört.
Die Europäer haben sich auf Druck Italiens und Spaniens zu mehr Hilfen für kriselnde Staaten durchgerungen: Banken sollen möglichst schnell direkten Zugang zum Euro-Nottopf bekommen; zudem werden die Auflagen für Staaten, die Finanzhilfe in Anspruch nehmen, gelockert.
Darauf einigten sich die Staats- und Regierungschefs nach einer dramatischen Verhandlungsnacht in Brüssel. Beide Änderungen hatte Berlin bis dahin abgelehnt. Italien und Spanien versprechen sich von den Maßnahmen Erleichterungen in ihrer Schuldenkrise.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel rechtfertigte die Beschlüsse, die sie eigentlich hatte vermeiden wollen: „Wir sind unserer Philosophie ,Keine Leistung ohne Gegenleistung’ treu geblieben.“ Banken erhielten Geld aus dem Nottopf nur unter Auflagen. Zudem müsse erst eine europäische Bankenaufsicht mit „Durchgriffsrechten“ auf die Branche im Euro-Währungsraum geschaffen werden.
Empörung bei CDU und FDP
In Berlin lösten die Beschlüsse in den Reihen von Union und FDP zum Teil Empörung aus. „Die Tinte ist noch nicht trocken, schon wird der ESM-Vertrag in seiner Substanz geändert“, kritisierte etwa FDP-Finanzexperte Frank Schäffler. Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willisch nannte die Ergebnisse des Gipfels „abenteuerlich“. Sein Parteikollege Wolfgang Bosbach sprach von einem „großen Schritt in Richtung Vergemeinschaftung der Schulden“.
Zeitweise wurde eine Verschiebung der gestrigen Abstimmung über den Rettungsfonds ESM und den Fiskalpakt im Bundestag diskutiert. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) musste in einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses Rede und Antwort stehen. Die SPD sprach von einer „180-Grad-Wende“ der Kanzlerin, begrüßte insgesamt jedoch die Brüsseler Beschlüsse.
„Viele Missverständnisse“
Die Kanzlerin räumte ein, die Beschlüsse hätten zu „sehr vielen Missverständnissen“ geführt. Gleichwohl galt eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag als sehr wahrscheinlich. In den Tagen zuvor hatten mehrere Abgeordnete aus den Reihen der schwarz-gelben Koalition angekündigt, mit Nein zu stimmen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Kanzlerin vor, sie inszeniere sich von Gipfel zu Gipfel als Krisenmanagerin, aber die Krise habe sich „massiv vergrößert“. Er warb dafür, das Volk über eine Vertiefung der EU abstimmen zu lassen. Keiner solle Angst vor Volksabstimmungen haben, sagte er.
„Ein schönes Ergebnis“, kommentierte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin den Gipfel. „Aber Frau Merkel hat schon wieder eine rote Linie aufgeben müssen, wir haben sie gewarnt.