Berlin. Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag haben einen sofortigen Stopp der Vernichtungen von Behördenakten mit Bezug zum Rechtsextremismus gefordert. Mehrere Politiker sagten, sie seien „fassungslos“, weil das Bundesinnenministerium Akten hatte vernichten lassen.

Der Untersuchungsausschuss zum Rechtsterrorismus hat die deutschen Sicherheitsbehörden aufgefordert, die Vernichtung von Akten sofort einzustellen. Mehrere Bundestagsabgeordnete sagten am Donnerstag am Rande einer internen Sitzung des Gremiums in Berlin, sie seien „fassungslos“ angesichts der bekannt gewordenen Akten-Affären in Bund und Ländern.

Anlass der Aufregung ist vor allem eine Meldung der „Stuttgarter Nachrichten, wonach ausgerechnet das Bundesinnenministerium kurz nach dem Auffliegen der Neonazi-Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) im November 2011 die Vernichtung von sechs Verfassungsschutzprotokollen angeordnet haben soll.

Dies sei geschehen, obwohl es sich dabei um Dokumente über Spitzelaktionen gegen Rechtsextremisten gehandelt habe, berichtete die Zeitung in ihrer Donnerstagausgabe. Das Ministerium bestätigte dem Blatt den Vorgang, rechtfertigte ihn aber mit einer „fristgerechten Sammelanordnung für Löschungsfälle nach Ablauf der Speicherfrist“. Die Löschung sei in der Sache gerechtfertigt und die zeitliche Nähe zum Aufdecken der Zwickauer Terrorzelle Zufall, hieß es weiter.

Ermittler Engelke soll dem Ausschuss berichten

„Das Bundesinnenministerium und die Länderbehörden müssen nun einen Aktenvernichtungsstopp durchsetzen“, sagte der Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im NSU-Ausschuss, Hartfrid Wolff. Ähnlich äußerte sich auch die Obfrau der SPD, Eva Högl. Auch Unions-Obmann Clemens Binninger betonte, ein Moratorium sei „das einzige, was im Moment noch hilft“. Mit Blick auf die bekannt gewordenen Akten-Affären sprach Binninger von einem „politisch unsensiblen“ Verhalten.

Der Untersuchungsausschuss wollte am Donnerstag den von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eingesetzten Sonderermittler, Hans-Georg Engelke, befragen. Engelke untersucht derzeit vor allem, wie es zu der Vernichtung wichtiger Akten beim Bundesamt für Verfassungsschutz kommen konnte, nachdem der NSU im November 2011 aufgeflogen war. Der Organisation werden bundesweit zehn Morde zur Last gelegt. Verfassungsschutz-Präsident Fromm hatte seiner Behörde zuletzt vorgeworfen, sie habe den Vorfall vertuschen wollen. Gegen drei Mitarbeiter laufen Disziplinarverfahren. Fromm hatte aufgrund der Pannenserie beim Verfassungsschutz seinen Rückzug bis Ende des Monats angekündigt.

Engelke ist Unterabteilungsleiter im Bundesinnenministerium und als solcher für den Verfassungsschutz zuständig. (dapd/afp)