Essen. Mit ihrem Asylbewerber-Urteil haben die Verfassungsrichter auf einen Missstand hingewiesen, der den Politikern seit Langem bekannt war. Sie vertuschten ihn aus niederen Motiven. Jetzt müssen die Kommunen zahlen, die Rechnung sollten sie an Berlin und Düsseldorf schicken. Ein Kommentar.
Die Klatsche war zu erwarten. Das Bundesverfassungsgericht hält die Höhe der Leistungen für Asylbewerber für menschenunwürdig niedrig. Der Staat muss die monatlichen Zahlungen drastisch erhöhen – von im Schnitt 224 auf zunächst knapp 340 Euro bei Erwachsenen. Er muss teilweise Geld für 2011 nachzahlen und für die Zukunft das ganze Gesetz neu auf die Beine stellen.
Das Peinliche daran: Bund, Länder und Gemeinden kannten die Schwachstellen seit langem.1993 war ins Gesetz geschrieben worden, dass die Leistungen regelmäßig an die Lebenshaltungskosten anzupassen sind. Nie ist das passiert. Fast 20 Jahre ignorierte der Staat die eigene Vorgabe. Und spätestens seit dem Verfassungerichtsurteil zu Hartz IV im Jahr 2010 war auch klar, dass die deutlich höheren Leistungen an Langzeitarbeitslose als menschenwürdiges Existenzminimum gelten. Das war mithin der Maßstab.
Die niedrigen Sätze sollten Asylbewerber abschrecken
Unsere Politiker nahmen das alles bewusst in Kauf, um Asylbewerber abzuschrecken und das höchst unpopuläre Thema totzuschweigen. Karlsruhe hält das zu Recht für einen Skandal: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“.
Jetzt wird das Geschrei groß sein. Natürlich sind die 789 Millionen Mark, die Deutschlands Kommunen jedes Jahr zum Unterhalt der rund 130 000 Asylbewerber ausgeben müssen, viel Geld. Aber die Kämmerer sollen sich beim Bund und bei den Ländern bedanken. Die haben die heikle Sache schmoren lassen, bis die Richter in den roten Roben am Mittwoch zum Rohrstock griffen.
Die Städte sollten die Rechnung an Berlin und Düsseldorf schicken.