Essen. . Ecuadors Präsident Raffael Correa hat einen offenbar lange vorbereiteten Coup gelandet. Die Flucht von Wikileaks-Gründer Julian Assange in die ecuadorianische Botschaft in London ist für den Linkspopulisten Correa ein Geschenk. Denn Correa und Assange haben einen gemeinsamen Feind: die USA.

Julian Assange sucht Zuflucht in der ecuadorianischen Botschaft in London. Was auf den ersten Blick bizarr erscheint, macht auf den zweiten Blick durchaus Sinn. Denn die ecuadorianische Regierung und der Wikileaks-Gründer haben einen gemeinsamen Feind: die USA. Kontakte zwischen Assange und der ecuadorianischen Diplomatie gab es offenbar schon seit 2010. Seit Monaten gebe es Gespräche zwischen dem Botschaftspersonal in London und dem Wikileaks-Gründer, melden ecuadorianische Medien unter Berufung auf Insider-Informationen.

Warum Assange in die Botschaft des Andenstaates geflüchtet ist, liegt auf der Hand. Er fürchtet eine lebenslange Haftstrafe in den USA oder sogar die Todesstrafe. Er will nicht nach Schweden ausgeliefert werden und fühlt sich von seinem Heimatland Australien im Stich gelassen, „Es ist besser, in Ecuador zu leben, als in den USA hinter Gittern zu sitzen“, sagte Assange einem australischen Radiosender. Die Botschaft Ecuadors ist für ihn zunächst ein sicherer Hafen. Laut der ecuadorianischen Zeitung „El Universo“ hat Präsident Rafael Correa Assange signalisiert, in der Botschaft bleiben zu können. Correa wolle den Antrag Assanges auf politisches Asyl sorgfältig prüfen. Ecuador gehört zu jenen Staaten, die sich durch Auslieferungswünsche aus Nordamerika und Europa nicht zwingend beeindrucken lassen. Sicher fühlen kann sich Assange dennoch nicht. Nun ist er ein Spielball der Diplomatie. Die Drähte zwischen London und Quito laufen heiß. Es gilt als wenig wahrscheinlich, dass Großbritannien eine Weiterreise Assanges nach Ecuador gestattet.

Für Rafael Correa (49), den linkspopulistischen ecuadorianischen Präsidenten, ist die Anwesenheit Assanges in der diplomatischen Vertretung seines Landes heute schon ein politischer Coup. Correa genießt, was er besonders mag, aber eher selten bekommt: internationale Aufmerksamkeit. Denn außenpolitisch stielt dem jugendlich wirkenden Präsidenten Ecuadors meist ein anderer charismatischer Staatschef aus der Andenregion die Schau: Hugo Chávez. Ein Provokateur, ein Stachel im Fleisch der USA, einer, der sich gerne mit jenen verbrüdert, die im Westen als Schurken gelten oder galten: Ahmadinedschad, Gaffafi & Co. Chávez gilt vielen in der westlichen Welt gemeinhin als übergeschnappt und gefährlich. In Lateinamerika polarisiert Chávez wie sonst nur die Castro-Brüder.

Presseschreck Correa stellt sich neben die personifizierte Pressefreiheit

Von Correa ist hingegen wenig bekannt. Seine Bühne ist kleiner, seine Reden weniger radikal. Dabei ticken Chávez und er auf einer ähnlichen Wellenlänge. Sie wollen eine linke Bastion schmieden gegen neoliberale Kräfte in Lateinamerika und den (schwindenden) Einfluss der USA in ihrem früheren „Hinterhof“. Dem Staaten-Bündnis „Alba“ (Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerika) gehören neben Venezuela und Ecuador auch Staaten wie Bolivien, Kuba, und Nicaragua an. Julian Assange wäre aus dieser Alba-Sicht gut als „Freiheitskämpfer“ gegen die verhasste Weltmacht vermittelbar. Innerhalb des Alba-Bündnisses könnte sich Correa mit Assange profilieren.

Auch innenpolitisch ist Assange jetzt schon ein Pfund, mit dem Correa wuchern kann. Der Präsident steht mit einem großen Teil der privaten Medien in Ecuador auf Kriegsfuß. Der Streit mit Verlagen und Sendern führte zur Gründung öffentlicher, also regierungsnaher Medien und zu diversen Eingriffen in die journalistische Freiheit. Uno und Human Rights Watch kritisieren den Umgang der ecuadorianischen Regierung mit der Presse seit Jahren. Julian Assange steht für das genaue Gegenteil: Er personifiziert sozusagen die totale Pressefreiheit, die komplette Unabhängigkeit von staatlicher Geheimnistuerei. Wenn ein Assange an der Seite Correas steht, dann, so die Hoffnung des Staatschefs, geht die Gleichung Correa = Presseschreck nicht mehr auf. Das muss aber nicht unbedingt funktionieren. Assange ließ jüngst in einem Radiointerview mit dem australischen Sender ABC Australia verkünden, er würde sich in Ecuador für die Pressefreiheit stark machen.