Stockholm. . Wikileaks-Gründer Julian Assange sucht Hilfe in der ecuadorianische Botschaft in London. Die Zeichen, dass der Asylantrag genehmigt wird, mehren sich. Doch in Schweden ist man sauer auf den Mann, der trotz Fußfessel und Hausarrest unbehelligt fliehen konnte.
Mit unverhohlenem Zorn gegen den Wikileaks-Gründer Julian Assange reagierten sämtliche führende Landesmedien und Rechtsexperten in Schweden auf die ungewöhnliche Flucht Julian Assanges in die ecuadorianische Botschaft in London. Dies kurz nachdem der Oberste britische Gerichtshof es abgelehnt hatte, Assanges Auslieferung nach Schweden erneut zu verhandeln. Bis zum 28 Juni hätte Assange noch Zeit gehabt, gegen den britischen Gerichtsentscheid vorzugehen. Doch er entschied sich offenbar anders.
Am Dienstag mehrten sich laut Angaben der britischen Zeitung „Guardian“ tatsächlich die Zeichen dafür, dass der ecuadorianische Asylantrag genehmigt wurde. Zumindest unterstrich Außenminister Ricardo Patiño gegenüber der WAZ-Mediengruppe, dass Assange sich nun auf diplomatischem Territorium Ecuadors befinde. Auch das britische Außenministerium stellte klar, dass ein Zugriff durch die britische Polizei undenkbar sei.
Offen bleibt, warum Assange, der eine Fußfessel trägt und unter Hausarrest stand, sich so ungehindert von der britischen Polizei zur Botschaft des südamerikanischen Landes bewegen konnte. Anscheinend hatte niemand mit einer solchen Aktion gerechnet. Ecuador prüfe nun den Asylantrag und werde dabei von internationalem Recht aber auch Ecuadors langer Tradition ausgehen, die Menschenrechte zu verteidigen, so der Minister.
Gefangener in der Botschaft
Experten des internationalen Rechts aus Schweden, Großbritannien und Assanges Heimatland Australien hielten seinen Antrag auf Asyl in Ecuador als wenig aussichtsreich - aber auch nicht für völlig chancenlos. Er laufe aber vor allem Gefahr, nun Gefangener in der ecuadorianischen Botschaft zu werden.
In Schweden sollte Assange wegen des umstrittenen Verdachts auf „weniger grobe Vergewaltigung“ und „sexuelle Nötigung“ an zwei Schwedinnen im Sommer 2010 von einer Staatsanwältin verhört werden.
Keine körperliche Gewaltanwendung
Die beiden Schwedinnen, die im Protokoll ihrer Polizeianzeige angeben, auch noch nach den jeweiligen Liebesnächten mit Assange freundschaftlichen Kontakt gehabt zu haben, werfen ihm erst viel später vor, beim ansonsten beidseitig gewünschten Geschlechtsverkehr kein Kondom, beziehungsweise bei mehreren Malen nicht immer ein Kondom, benutzt zu haben.
Im stark feministisch geprägten Schweden reicht ein solches Delikt im Grunde für die Verurteilung und eine Gefängnisstrafe wegen „weniger grober Vergewaltigung“ aus, erklärte Per E. Samuelson, inzwischen Assanges offizieller schwedischer Anwalt und Experte für Sexualstraftaten im Frühjahr der WAZ-Mediengruppe. Das gelte auch, wenn die Frauen den von ihnen registrierten, ungeschützten Geschlechtsverkehr nicht abgebrochen haben.
Laut Voruntersuchungsprotokoll werfen die Frauen Assange körperliche Gewaltanwendung nicht vor. Es ist bislang bis auf das Gesuch der Staatsanwaltschaft zu einem Verhör nicht einmal zu einer Anklage gekommen und es gilt als fraglich, ob überhaupt Anklage erhoben wird. Schließlich stünden Wort gegen Wort.
Assange befürchtet Ausweisung in die USA
Aber gerade hier, so Samuelson, habe die Rechtsunsicherheit in Schweden für beschuldigte Männer deutlich zugunsten der Frauen abgenommen. „9 von 10 der Vergewaltigung angeklagte Männer kommen in Schweden ins Gefängnis, wenn es zu einem Gerichtsprozess kommt“, so Samuelson. Letztlich gehe es darum, wem das Gericht glauben schenke.
Assange, Enthüller gravierender US-Kriegsverbrechen, befürchtet jedoch offiziell nicht seine Verurteilung wegen Sexualstraftaten in Schweden. Laut seinen britischen Anwälten gehe es ihm vor allem um seine Auslieferung aus Schweden an die USA. Hohe schwedische Regierungsvertreter wiesen diese Möglichkeit bereits zuvor energisch zurück. Assanges Wikileaks-Enthüllungen bezüglich der USA seien nach schwedischem Recht nicht strafbar, heißt es. Deshalb könne er gar nicht ausgeliefert werden.
Rechtslage für Wikileaks ist in Schweden günstig
Diese liberale, für Wikileaks sehr günstige Rechtslage in Schweden sei schließlich auch der Grund gewesen, warum Assange vor den Anschuldigungen Schweden als permanente Lebensbasis für seine Enthüllungsplattform anstrebte und um eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung bat.
Doch Tatsache ist, dass das offiziell neutrale aber de facto eng mit der Nato zusammenarbeitende Land bereits zuvor schwedische Staatsbürger ohne rechtliche Prüfung oder öffentliche Information vom US-Geheimdienst CIA abholen ließ, wie Regierungsvertreter nach einer TV-Enthüllungsreportage vor einigen Jahren eingestehen mussten.
Als Täter abgestempelt
Dennoch reagiert Schweden vor allem mit großem Zorn. In sämtlichen Medien und sämtlichen Diskussionsplattformen des Landes wird Assange bereits mehr oder weniger als Sexualverbrecher abgestempelt. Dabei ist noch nicht einmal Anklage gegen ihn erhoben worden, sondern nur der Wunsch einer Staatsanwältin ihn zu vernehmen.
Auch in schwedischen Hauptnachrichtensendungen ist die Berichterstattung fast unverhohlen gegen Assange gepolt. USA-Auslieferungsängste seien unbegründet. Der Enthüller von US-Kriegsverbrechen befürchtet seine Auslieferung aus Schweden nur, weil er dort als gemeiner Vergewaltiger in den Knast kommen würde, so die öffentliche Meinung.