Karlsruhe. . Die Bundesregierung hat den Bundestag nicht ausreichend und frühzeitig genug über den Euro-Rettungsschirm ESM informiert. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag entschieden und damit die Informationsrechte des Parlaments gestärkt. Die SPD sprach von einer “Blamage“ für die Regierung.

Die Bundesregierung hat nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei der Information über die Euro-Krise die Rechte des Parlaments verletzt. Mit der Entscheidung vom Dienstag hatte eine Klage der Grünen Erfolg. Die Partei hatte die verspätete Informationspolitik beim Euro-Stabilitätsmechanismus (ESM) und dem Euro-Plus-Pakt angegriffen. Die SPD sprach von einer "Blamage" für die Regierung. (Az.: 2 BvE 4/11)

Laut Grundgesetz muss die Bundesregierung den Bundestag "in Angelegenheiten der Europäischen Union" umfassend und zum frühstmöglichen Zeitpunkt unterrichten. In der Verhandlung am 30. November hatte der Rechtsexperte der Grünen, Jerzy Montag, gesagt, die Informationssituation sei nach der Tagung des Europäischen Rates am 4. Februar 2011 für die Abgeordneten "demütigend" gewesen. Auf der Tagung wurden sowohl der Euro-Stabilitätsmechanismus als auch der Euro-Plus-Pakt zur besseren Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Euro-Raum vereinbart.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin hatte es am Morgen in der ARD als "absurd" bezeichnet, "dass wir Gesetzesentwürfe für Verträge, die Deutschland binden und wo es um Milliarden geht, uns von den österreichischen Kollegen der Grünen besorgen müssen, die das selbstverständlich von ihrer Regierung erhalten, während die Bundesregierung das Parlament künstlich dumm stellt".

Die Bundesregierung war der Klage der Grünen in der Verhandlung entgegengetreten. Es sei unpraktikabel, jeden Verfahrensschritt mit dem Bundestag abzustimmen. Außerdem müsse unbedingt vermieden werden, dass vertrauliche Verhandlungszwischenstände über hochsensible Materien letztlich in die Öffentlichkeit gelangten.

"Guter Tag für die parlamentarische Demokratie"

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sprach nach dem Urteil von einem "guten Tag für die parlamentarische Demokratie" und eine "schwere Blamage für die Bundesregierung". Die Maßnahmen zur Eurorettung müssten transparenter und für die Menschen nachvollziehbarer werden. Hierbei habe die Bundesregierung eine Bringschuld gegenüber Parlament und Öffentlichkeit. Oppermann betonte, das Urteil müsse noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren zu ESM/Fiskalpakt eingearbeitet und umgesetzt werden.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß fügte hinzu, das Krisenmanagement von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei schon unter handwerklichen Gesichtspunkten immer von "zu spät und zu wenig" gekennzeichnet gewesen. Nun sei ihr Vorgehen nicht einmal verfassungsrechtlich einwandfrei.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, nahm die Kritik der Karlsruher Richter an. Diese hätten einmal mehr klargestellt, dass der Bundestag in europapolitischen Fragen ausreichend eingebunden werden müsse. Europa und die Mitgliedsstaaten profitierten von Transparenz und demokratischer Rückkopplung an die nationalen Parlamente. Mit den Beteiligungsrechten beim Rettungsschirm ESM sei man hier auf einem sehr guten Weg.

Außenminister Guido Westerwelle hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für stärkere Informationsrechte des Bundestages in Europa-Angelegenheiten begrüßt. "Die engere Einbindung des Bundestages in europäische Angelegenheiten ist ein wichtiges Anliegen, das auch im Interesse der Europapolitik und von mir ganz persönlich liegt", sagte der FDP-Politiker am Dienstag in Berlin. Es sei wichtig, dass das Verfassungsgericht für eine grundsätzliche Klärung gesorgt habe. "Die Bundesregierung wird selbstverständlich das Urteil nach bestem Wissen und Gewissen umsetzen", betonte Westerwelle. Das Finanzministerium hatte erklärt, das Urteil erschwere internationale Verhandlungen. (dapd/rtr)