Nach dem Überraschungscoup der FDP in Schleswig-Holstein machen sich auch die nordrhein-westfälischen Liberalen Hoffnung auf ein ähnlich spektakuläres Ergebnis - trotz des wenig geliebten Parteichefs Rösler.
Was für ein Tag für die Liberalen. In Schleswig-Holstein ein Wahlergebnis, das alle bisherigen Umfragewerte um ein Vielfaches übertrifft. Jubel und Zuversicht auch in NRW: Dort installierte die Landespartei fast einstimmig einen jugendlichen Helden an ihrer Spitze. Einen, dem zugetraut wird, das Wunder von Kiel in einer Woche zu wiederholen.
Vom "Anfang des Wiederaufstiegs" war gestern im Berliner Thomas-Dehler-Haus schon die Rede. Zwei Jahre lang waren die Liberalen die Verfemten des deutschen Parteiensystems, geschmäht und geradezu verhasst. Ihr Paria-Dasein begann nur wenige Monate nach ihrem größten Wahlerfolg. Es war auch die Quittung für den hoffärtigen Triumphalismus, mit dem die damalige Parteiführung viel zu lange im Siegesrausch schwelgte. Dreht sich jetzt der Wind so brüsk, wie er der FDP bisher ins Gesicht blies?
Rösler ist in seinem Chef-Amt nur noch geduldet
Zumindest erweist sich, dass sie noch über Talente verfügt, wenn auch nicht unbedingt auf dem Posten des Parteichefs. Der Nord-Liberale Kubicki hat sich als notorischer Quälgeist der jeweils amtierenden Bundesprominenz, der Kinkels, Gerhardts, Westerwelles, Röslers, einen soliden Ruf als Verächter von Orthodoxie und Parteidisziplin erworben. In Zeiten der Skepsis gegenüber einem stromlinienförmigen Politikbetrieb verschafft das bei Wählern einen Sympathiebonus. Der neue NRW-Chef Lindner verfügt über die rhetorische Brillanz und intellektuelle Strahlkraft, um den Liberalismus für ein anspruchsvolles Publikum jenseits platter Steuersenkungsparolen womöglich doch wieder zum Leuchten zu bringen.
Ziemlich genau ein Jahr ist es jetzt her, dass die FDP mit einer neuen Parteiführung den Aufbruch aus dem Jammertal versuchte. Es war bis gestern ein Jahr voller Desaster. Seit gestern darf sich Parteichef Rösler seines Postens wohl wieder etwas sicherer sein. Aber nur, weil jedem klar sein muss, dass Personalzoff die aufkeimende Hoffnung sofort wieder welken ließe. Rösler ist fortan nicht mehr als ein in seinem Amt Geduldeter.