Paris/Berlin. . Ein Merkel-Interview mit der WAZ-Mediengruppe mischt den französischen Wahlkampf auf: Der französische Präsidentschafts-Kandidat Francois Hollande reagierte schon wenige Stunden, nachdem das Gespräch mit der Bundeskanzlerin in Frankreich verbreitet wurde.
Francois Hollande schreitet über den roten Teppich im Studio des TV-Senders „France 2“. Schon ganz Staatsmann nimmt er Platz am gläsernen Tisch, der größer ist als zwei Tischtennisplatten. Im Hintergrund die Trikolore und Zuschauer, die andächtig zuhören. „Worte & Taten“ heißt die Sendung, die sich hoher Einschaltquoten erfreut – erst recht an diesem Donnerstagabend, so kurz vor der Stichwahl. Moderator David Pujadas hat beide Finalisten zu Gast, zuerst den sozialistischen Herausforderer, später Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.
Gleich zu Beginn nimmt der bekannte Wirtschaftsjournalist Francois Lenglet Herausforderer Hollande in die Mangel. Das Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, das erst am Freitag erscheinen soll, aber von der französische Nachrichtenagentur AFP schon am Vorabend verbreitet wird, dient als willkommene Vorlage.
Denn in dem Interview kanzelt sie Regierungschef Francois Hollande ab. Über den EU-Fiskalpakt sagt sie in einem freundlichen, aber in der Sache hartem Ton: „Er ist nicht verhandelbar.“ Ein knapper Satz, der in der heißen Phase des französischen Wahlkampfes einschlägt wie ein Sprengsatz. Auch die Tageszeitung „Le Figaro“, ein regierungsnahes Blatt, greift das Interview auf und macht daraus einen Aufmacher.
Hollandes Gegenschlag
Dann holt Hollande im TV-Studio zum Gegenschlag aus. „Es ist nicht Deutschland, das für ganz Europa entscheiden wird“, zischt er, sichtlich angefressen. Manchmal rudert er mit den Armen, ballt die Faust oder lässt die glatte Handfläche wie ein Messer die Luft durchschneiden. Fast trifft sie Angela Merkel, die sie auf dem in die Glasplatte eingelassenen Monitor einblenden.
Der Streit zwischen Merkel und Hollande gärt schon seit Wochen, nun spitzt er sich zu. Die Deutsche setzt auf strenge Spardisziplin, der Franzose hingegen will im Falle eines Sieges am 6. Mai das Wachstum fördern und den bereits von 25 EU-Staats- und Regierungschefs unterzeichneten Pakt korrigieren. Hollande nimmt der Kanzlerin außerdem übel, dass sie sich schon vor Monaten in den französischen Wahlkampf einmischte und demonstrativ ihre Sympathie für Sarkozy erklärte. Gerne hätte der Herausforderer Merkel im Berliner Kanzleramt besucht, doch der Termin kam nicht zustande.
Neid und Bewunderung für den Musterknaben
Der wirtschaftliche Erfolg der Deutschen spaltet die von einer tiefen Krise und quälenden Zukunftsängsten heimgesuchte „Grande Nation“. Die meisten bewundern den deutschen Musterknaben, aber viele empfinden auch Neid, manche sogar Angst. Je mehr Nicolas Sarkozy für das „modèle allemand“, das Vorbild Deutschland, schwärmte, desto deftiger fiel die Anti-Reaktion der Franzosen aus. Manche in den Reihen der Sozialisten schürten sogar antideutsche Ressentiments. Merkel betreibe wie einst Bismarck eine egoistische Politik auf Kosten der anderen, hieß es.
Satirisches Frankreich
Sarkozy musste einsehen, dass er mit Merkel und Schwärmerei für Deutschland nicht punkten kann. Ihr fest zugesagter Wahlkampfauftritt an der Seine wurde gestrichen. Hollande nutzt diese Anti-Stimmung jetzt und zückt vor Millionen Fernsehzuschauern geschickt die nationale Karte. „Viele Länder warten derzeit auf die Entscheidung in Frankreich, denn wir sind nicht irgendein Land in Europa, wir sind ein führendes Land in Europa, und was das französische Volk tun wird, wird die Lage beträchtlich verändern.“
Der Präsident des Europa-Parlaments, Martin Schulz (SPD), gab sich zurückhaltender. Er begrüßte zwar Forderungen europäischer Regierungschefs nach einer Wachstumsstrategie, sagte aber auch: „Was eine Neuverhandlung des Fiskalpakts angeht, bin ich sehr skeptisch. Denn hier handelt es sich um ein internationales Abkommen, das von 25 Staats- und Regierungschefs unterzeichnet wurde und dessen Ratifizierungsprozess zum Teil schon weit gediehen ist.“ Nötig seien viel mehr Nachbesserungen am Fiskalpakt im Sinne verbindlicher Ergänzungen, so Schulz.