Berlin. . Der „Pirat“ Martin Delius löst mit seiner braunen Analogie heftige Proteste aus. Doch auch andere Abgeordnete greifen zu solch unseligen Aussprüchen.

Eine Regel für Politiker sollte lauten: Meide Vergleiche mit der NS-Zeit. In Wahrheit aber verstoßen sie in allen Parteien regelmäßig dagegen. Es ist die ultimative Analogie, und meist fällt sie auf ihren Urheber zurück. So wie bei Martin Delius, der nun nicht mehr für den Vorstand der Piratenpartei kandidieren will. Ihr Aufstieg verlaufe so „rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933“, hatte Delius erklärt. Der Protest blieb nicht lange aus.

In Nazi-Analogien verstricken sich Politiker aus Versehen, als kühl kalkulierte Provokation oder im Zustand höchster Erregung. Da spielt es keine Rolle, ob einer rechts oder links steht, jung oder alt ist, oder wie bei den Piraten der Internetkultur zugerechnet wird. Im Netz gibt es sogar einen Fachausdruck dafür: „Godwin’s Gesetz“. Der Rechtsanwalt Mike Godwin hat 1990 erklärt, „mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion nähert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vergleich mit Hitler oder den Nazis dem Wert Eins an.“

Oft ist damit die Debatte zu Ende. Das ist das Verführerische an den Nazi-Vergleichen: Sie sind kaum zu toppen und das Totschlag-Argument schlechthin.

Nicht aufgepasst hat 2002 die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), als sie US-Präsident George W. Bush mit Hitler verglich, genauer gesagt: die Methode, mit einem Krieg (Irak) jeweils von der Innenpolitik abzulenken. Sie ahnte nicht, dass ein Journalist mitschrieb. Ihre Karriere war erledigt.

Thomas Strobl sorgte für einen Eklat

Für einen Eklat sorgte Ende 2010 in Baden-Württemberg der Generalsekretär der Landes-CDU auf dem Höhepunkt der Proteste über den Stuttgarter Bahnhof (S21). Thomas Strobl schrieb über den Schauspieler Walter Sittler: „Sein Vater war Nazi-Funktionär und arbeitete für Reichspropagandaminister Joseph Goebbels: Walter Sittler, Propagandist der S21-Bewegung.“ Strobl kam mit einer Entschuldigung davon.

Häufig in der Politik ist die kühl kalkulierte Provokation. Ein Klassiker stammt von Oskar Lafontaine, der im Juli 1982 Pflichtgefühl, Berechenbarkeit und Standhaftigkeit des damaligen Kanzlers Helmut Schmidt als „Sekundärtugenden“ abtat: „Damit kann man auch ein KZ betreiben.“ 26 Jahre später zahlte Helmut Schmidt es ihm heim. Charisma allein, dozierte der Altkanzler, mache für sich genommen noch keinen guten Politiker aus. „Auch Adolf Nazi war ein charismatischer Redner. Oskar Lafontaine ist es auch.“

Eher auf den Eifer des Gefechts ist Roland Kochs Anspielung auf den Judenstern zu verstehen. In Hessen diskutierte der Landtag über eine Vermögenssteuer, Verdi-Chef Frank Bsirske hatte gefordert, die Namen der Reichen öffentlich zu nennen. Das sei ja eine „neue Form von Stern auf der Brust“, polterte Koch.

Ein Wiederholungstäter

Ein Wiederholungstäter war Helmut Kohl. Er verglich den sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow mit Goebbels und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse mit Göring und im Juni 2000 Boykottaufrufe wegen illegaler Spenden für die CDU mit dem Boykott jüdischer Geschäfte unter der NS-Diktatur.

Die Nazi-Parallele garantiert ein Maximum an Aufmerksamkeit: Ludwig Stiegler (SPD) verglich den CDU-Slogan „Sozial ist, was Arbeit schafft“ mit der NS-Parole „Arbeit macht frei“.

Und ein CSU-Generalsekretär erklärte, die SPD gewinne in Bayern nur an solchen Orten, wo die Braunen 1933 gesiegt hätten. Den Berliner CDU-Politiker Christoph Stölzl erinnerte eine Wahlpleite im September 2002 wiederum an die „irrationalen Stimmungen der Erdrutschwahlen 1931/32“.