Essen. . Eine nicht gerade zimperliche Mail an die Piratenpartei. Eine Antwort, die kurz ist, aber viel Empörpotential bietet. Ein Mail-Wechsel mit Panne zeigt, dass die Piraten nicht nur politisch für manchen ein Kulturschock sind.
Wer in fremde Länder reist, kennt das Problem: Kulturschock. Fast nie ereilt er einen zu Hause, am Rechner, beim Lesen der E-Mails. Doch Dr. Harry Martin ist genau das passiert, denn er schrieb eine Mail an die Piratenpartei. „Ich habe schon sehr viele und z.T. ziemlich provokative Meinungen oder Anfragen an Parteien gesandt“, schrieb uns Harry Martin dieser Tage voller Entrüstung. „Eine Antwort von diesem Niveau habe ich jedoch noch nie erhalten.“ Roflcopter gtfo? Also bitte!
Harry Martin gehört zu jenen Menschen, die sich am Namen der „Piraten“ stören. In seiner Mail an die Bundesgeschäftsstelle in Berlin forderte er die Partei auf, sich einen anderen Namen zuzulegen. Man muss sagen, dass sein Ton nicht gerade zurückhaltend war. „Finden Sie es angebracht, sich nach einer Personengruppe zu benennen, welche vom Verbrechen lebt und dafür raubt und mordet?“, schrieb er.
Auch muss man sagen, dass sein Kulturpessimismus atemberaubend ist: „Wahrscheinlich sind Sie einem infantilen Trotz-Impuls gefolgt, in einer Zeit, die alles verniedlicht, weil es allenthalben an Bildung und kulturellem Geschmack fehlt.“ Und man muss sagen, dass seine Argumente aus der deutschen Geschichte sich nicht jedem leicht erschließen: „Gerade in einem Land, das eine Vergangenheit mit zwei Weltkriegen und nie dagewesenem Völkermord besitzt, wirkt das mehr als makaber und geschmacklos!“ Aber gleich roflcopter gtfo?
Akronyme sind neu in der Politik...
Denn das bekam der kritische Doktor Martin als Antwort von der Piraten-Bundesgeschäftsstelle zurück. Es ist eine Kombination aus zwei Akronymen, die sich ein Internet-Laie erst ergoogeln muss. Rofl steht in der Sprache der Gamer, Chatter und Twitterer für „Rolling on floor laughing“ – etwa „Ich wälz’ mich auf dem Boden vor Lachen“. Der copter wird angehängt, um die Bedeutung noch zu verstärken. Gtfo schließlich heißt „get the fuck out“ – zu gut Deutsch: „Verpiss dich“. Und das ist es also, was die Piratenpartei Herrn Martin mitteilte, als sie ihm antwortete: Roflcopter gtfo.
Die Piraten sagen jetzt, die Antwort sei ein Versehen gewesen: Was als interner Vermerk gedacht war, ging aus Unachtsamkeit als Antwort hinaus an Doktor Martin. „Ich will das auch gar nicht entschuldigen“, sagte uns die Pressesprecherin der Piraten, „aber die Arbeitsbelastung für die Kollegen in der Bundesgeschäftsstelle ist im Moment sehr hoch.“
Die Partei steht in Umfragen jetzt bei 12 Prozent, das Medieninteresse ist riesig, die Vorbehalte, die den Piraten entgegenschlagen, sind es auch. Trotzdem fand die Bundesgeschäftsstelle Zeit, ein Entschuldigungsschreiben an Doktor Martin zu senden.
...und Selbstironie wohl auch
„Sie glauben ja gar nicht, wie viele Leute sich jeden Tag über unseren Namen beschweren“, sagte uns die Pressesprecherin noch. Dabei habe man doch nur das Wort übernommen, das Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Innenminister für illegale Downloads erfunden hatten: Internet-Piraterie.
Sich dieses Wort zu eigen zu machen, sei ein Akt der Selbstironie gewesen. Aber Selbstironie in der Politik? Da ist der Kulturschock programmiert – gerade in diesem Land, möchte man sagen, das eine Vergangenheit mit zwei Weltkriegen besitzt.