Essen. . Der „Chef“ der Benediktiner, Notker Wolf, äußert sich im Gespräch mit DerWesten über die Auferstehung, über Sterbehilfe und über den neuen Bundespräsidenten. Und er warnt davor, aus Politikern perfekte Menschen machen zu wollen.
Der Abtprimas der Benediktiner, Notker Wolf, äußert sich im Gespräch mit Angelika Wölk über die Auferstehung, Sterbehilfe und den neuen Bundespräsidenten.
Abt Notker, wir feiern Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu. Aber wir diskutieren über Sterbehilfe. Wie passt das zusammen?
Abtprimas Notker Wolf: Ich habe viel Verständnis für Leute, die sagen: Das Leben ist nicht mehr lebenswert. Aber im Lichte des Leidens Christi bekommt das Sterben oder auch das Leiden einen anderen Stellenwert. Das Leiden und das Sterben gehören nun mal zum Menschen, gerade, wenn wir das in einem größeren Horizont sehen.
Ostern, die Auferstehung, das ist sehr schwer zu verstehen, selbst für Christen.
Wolf: Es geht bei der Auferstehung nicht einfach um ein ewiges Leben, um ewigen Stillstand oder eine ewige Ruhe, sondern es geht um die Teilnahme an der Herrlichkeit Gottes – auch wenn das jetzt sehr hochtrabend klingen mag. Es geht um Freude, um volle Erfüllung, um Gemeinschaft, und zwar auf Ewigkeit hin; darum, dass der Mensch noch eine Dimension über sich hinauswachsen kann.
Was sagen Sie den Menschen, die aus Furcht vor großen Schmerzen ihr Leben selbst beenden wollen?
Wolf: Es gibt keine letzte Antwort darauf. Aber ich muss auch das Lebensende aus der Hand Gottes annehmen. Ich habe selber sehr viele Menschen erlebt in sehr schmerzlichen Situationen, die gesagt haben: Ich nehme es bewusst an, auch im Glauben; Menschen, die auch im Blick auf Jesus Christus am Kreuz Ja gesagt haben zu ihrem Leid.
Zwei Protestanten an der Staatsspitze - "wir müssen da ökumenisch denken"
Und ich glaube, es gibt doch eine Alternative: Das sind unsere Hospize. Ich schätze die Hospiz-Bewegung sehr hoch. Denn dort wird ja versucht, den Menschen beizustehen. Und das Wichtige ist ja bei all dem Schmerz, dass der Mensch nicht allein ist, dass er menschliche Gemeinschaft erfährt.
Der neue Bundespräsident Joachim Gauck ist protestantischer Pfarrer. Erwarten Sie von ihm anderes als von einem weltlichen Bundespräsidenten?
Wolf: Auch ein weltlicher Bundespräsident sollte sich, wenn er Christ ist, auch christlich verhalten und für christliche Werte eintreten. Von Joachim Gauck erwarte ich vor allem, dass er wieder stärker die Werte für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft betont.
E-Gitarren-Spieler und Autor
Notker Wolf (71) gehört zu den bekanntesten Mönchen. Er ist einer der meistgelesenen Autoren, häufiger Gast in TV-Talkshows, gefragter Redner und als Abtprimas oberster Repräsentant des ältesten Ordens der Christenheit, der Benediktiner. Ihr Äbtekongress wählte ihn 2000 zum Abtprimas. Seither lebt er in St. Anselm in Rom, dem „Hauptsitz“ der Klosterverbände. Die mächtige Klosteranlage thront auf dem Aventin, einem der mythischen sieben Hügel der Ewigen Stadt. Notker Wolf ist alles andere als ein weltfremder Kirchenmann. Er legt pro Jahr rund 300 000 Kilometer zurück, um den Orden mit 7500 Mönchen und 17 000 Nonnen zu „managen“. Und er ist ein streitbarer Mönch, der sich in seinen Büchern in aktuelle Debatten einmischt. Trotz seiner Ämter hat er sich immer Zeit für die Musik genommen. Er spielt Querflöte und außerdem E-Gitarre in seiner Rockband „Feedback“.
An der Spitze unseres Staates stehen jetzt mit Angela Merkel und Joachim Gauck zwei Protestanten. Wo bleibt der politische Katholizismus?
Wolf: Ich würde es natürlich begrüßen, wenn auch mehr Katholiken an den politischen Spitzen tätig wären, so wie beispielsweise Frau Schavan, Bundestagspräsident Norbert Lammert, ein bekennender Katholik, Horst Seehofer. Aber wir müssen da auch ökumenisch denken. Ich bin wirklich froh, dass wir verantwortungsvolle Leute auch von der evangelischen Kirche an der Spitze haben.
In den vergangenen zwei Jahren mussten etliche Spitzen-Politiker zurücktreten. Verlangen wir eigentlich zu viel von unseren politischen Eliten?
Wolf: Unsere politischen Eliten dürfen kaum mehr Menschen sein, sie dürfen kaum mehr Fehler haben. Benediktinisch gesehen schaut das ein bisschen anders aus: Jeder Mensch hat nun mal seine Kanten und seine Schwächen. Die Frage ist natürlich immer das Maß. Jemand an der Spitze hat sicherlich eine Vorbild-Funktion, man sollte Vieles von ihm erwarten können, aber wir sollten ihn nicht perfekt machen. Wir sind da schon sehr perfektionistisch geworden.
"Es muss in der Kirche die Amtsausübung neu diskutiert werden"
Blicken wir auf die katholische Kirche: Vor 50 Jahren begann das Zweite Vatikanische Konzil. Etliche Theologen kritisieren, Impulse des Konzils seien in Vergessenheit geraten. Brauchen wir also ein neues Konzil?
Wolf: Nein. Wir bräuchten nur wieder die Konzils-Ideen aufzugreifen, die Erkenntnisse des Konzils herauszuarbeiten und den Menschen zu vermitteln.
In der Liturgie beispielsweise: dass die Messfeier eben nicht nur eine Sache des Priesters ist, sondern eine Feier der ganzen Gemeinde. Oder: Es muss in der Kirche die Amtsausübung neu diskutiert werden.
Heißt Amtsausübung neu diskutieren auch, dass Laien stärker beteiligt werden sollten?
Wolf: Ich glaube, das wird von selber kommen, weil wir weniger Priester haben.
Sie sind einer der gefragtesten Redner weltweit, schreiben Bestseller und sind auch noch „Chef“ von 23 000 Benediktinerinnen und Benediktinern. Wie schaffen Sie es, trotz all des Stresses innere Ruhe zu bewahren?
Wolf: Mein wichtigster Anker ist das Gebet zu ganz bestimmten Zeiten. Das ist bei uns vorgegeben, und wo immer ich hinkomme, bin ich gleich bei den Mönchen oder Nonnen im Chor und bete mit ihnen mit. Es spielt eben eine sehr große Rolle, dass ich überall Gemeinschaften habe und damit Menschen, die ich kenne; ein Umfeld, das mich trägt.
Beten - gegen den Stress
Was raten Sie stressgeplagten Menschen, die dieses Umfeld nicht haben?
Wolf: Zweierlei: Ich würde raten, wer eine Familie hat, sollte sich Zeit nehmen für die Familie. Ich glaube, Gespräche mit dem Partner, mit den Kindern, Spielen mit den Kindern - das entspannt und es gibt eine innere Bestätigung.
Wer Freunde hat, dem würde ich raten, sich auch für die Freunde Zeit zu nehmen, sich regelmäßig zu treffen. Und damit komme ich zum Zweiten: die Regelmäßigkeit. Auch wenn man unter Stress ist, brauche ich doch gewisse Angelpunkte im Tag, die mich tragen. Sei es am Morgen beim Aufstehen: ein kurzer Vorblick auf den Tag, auch mit einem Gebet, und genau so am Abend: ein kurzer Rückblick. Und ein Gebet kann helfen, sich mit Vielem wieder auszusöhnen.
Die Fastenzeit ist ja nun vorüber. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Wolf: Ich freu’ mich überhaupt auf das Osterfest, und die letzten drei Tage der Fastenzeit, die liturgischen Feiern hier am Gründonnerstag, Karfreitag und in der Osternacht.
Wie haben Sie die Fastenzeit eingehalten?
Wolf: Die Fastenzeit bedeutet ja eigentlich etwas sehr Diskretes. Der Heilige Benedikt sagt, wir sollen überall ein bisschen zurück schrauben. Und das habe ich durchaus getan.
Sie freuen sich auf das Osterfest. Wie feiern die Benediktiner auf dem Aventin, einem der mythischen sieben Hügel Roms, denn Ostern?
Wolf: Bei uns beginnt es an Gründonnerstag. Dann feiern wir die Erinnerung an die Einsetzung des Abendmahls, wir vollziehen auch das Bild Jesu von der Fußwaschung nach. Karfreitagnachmittag um drei Uhr gedenken wir des Todes Christi. An beiden Tagen ist bei uns die Kirche immer proppenvoll, es kommen sehr viele Menschen zu uns. In der Osternacht fangen wir zunächst mit der Feier der Vigil an, meistens um elf Uhr, um zwölf Uhr beginnt die eigentliche Auferstehungsfeier. Anschließend laden wir alle ein, die mit uns mitgefeiert haben, zu einem kleinen Umtrunk und zu einer Colomba, wie das in Italien so üblich ist, das ist so etwas wie ein Stollen. Und dann ist am Ostertag noch einmal ein sehr festlicher Gottesdienst.