Hamminkeln. Vor nur zwei Jahren hat die CDU geschlossen Christian Wulff gewählt und Gauck geschlossen abblitzen lassen. Nun hat sich die Stimmung gedreht. Gauck hat die Führungsgremien der NRW-CDU bei seinem ersten Kandidatenauftritt vor der Union offenbar begeistert.

Die nordrhein-westfälische CDU hat dem designierten Bundespräsidenten Joachim Gauck ihre volle Unterstützung bei der Wahl ins höchste Staatsamt zugesichert. Gauck war auf der Klausurtagung der Führungsgremien der NRW-CDU im niederrheinischen Hamminkeln bei seinem ersten Kandidatenauftritt vor der Union begeistert aufgenommen worden. 2010 hatten die 50 Wahlleute der Landespartei den Kandidaten Gauck noch geschlossen abgelehnt und Christian Wulf gewählt.

Knapp zwei Jahre später nun lobte CDU-Landeschef Norbert Röttgen, Gauck habe im „Marienthaler Kreis“ der Union einen starken Eindruck hinterlassen. Gauck wird heute die Bundesvorstände von CDU und SPD in Berlin besuchen und später in den Fraktionen reden. Bei der Wahl in knapp drei Wochen will nur die Linkspartei gegen Gauck stimmen. Damit gilt dessen Wahl als sicher.

„Wir haben uns angenähert“

Noch vor 20 Monaten hat die CDU Joachim Gauck bei seinem ersten Anlauf zur Wahl des Bundespräsidenten geschlossen die Stimme verweigert. Als der frühere DDR-Bürgerrechtler am Samstag zur Klausur der Führungsgremien der NRW-CDU ins niederrheinische Hamminkeln reist, wird der ostdeutsche Kandidat mit Begeisterung und lautem Beifall aufgenommen. „Wir haben uns angenähert“, lässt der Theologe mit der Gnade der zweiten Chance Vergangenes ruhen.

CDU-Landeschef Norbert Röttgen, der den früheren Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde fix nach der von der FDP erzwungenen Unions-Volte eingeladen hat, fasst das ungeplant lange Gespräch mit der plötzlichen neuen Liebe der Christdemokraten kurz zusammen: „Gauck hat wirklich Eindruck gemacht.“

„Kein gestörtes Verhältnis zu Merkel“

Der Kandidat nutzt die Stippvisite im „Marienthaler Kreis“, dem Kreuth der NRW-CDU, um für seine Wahl in der Bundesversammlung zu werben. Hinter verschlossenen Türen im Romantikhotel „Haus Elmer“ zeigt der von Merkel zum „Demokratielehrer“ geadelte Gauck Verständnis, dass die CDU vor knapp zwei Jahren aus Parteiräson für Christian Wulff gestimmt hat. „Ich habe kein gestörtes Verhältnis zu Angela Merkel“, betont der Mecklenburger. Allerdings wäre er nicht angetreten, wenn erneut eine Konfliktsituation gedroht hätte. Auch will der 72-Jährige knapp drei Wochen vor der Wahl nicht sagen, was er vorhat und „was für ein toller Typ ich bin“.

In der Kandidatenkür vor der NRW-CDU präsentiert sich der Parteilose bei den Konservativen nach Angaben von Teilnehmern bescheiden, selbstironisch und gewinnend. Der Bewerber sei überrascht gewesen, wie offen er aufgenommen wurde, beschreibt CDU-Politiker Peter Hintze das gegenseitige Abtasten. In der offenen Fragerunde erzählt Gauck in kurzen Schnitten seine dramatische Lebensgeschichte in der ehemaligen DDR. Als Präsident will Gauck künftig Stimme aller Bürger sein. „Ich werde nicht nur Botschafter empfangen.“

Mit Blaulicht

Zum „Marienthaler Kreis“ reist der Bürger Gauck bereits ganz präsidial mit Sicherheitseskorte, Blaulicht und schweren Polizei-Fahrzeugen an. Trotz Terminstress’ nimmt sich das nächste Staatsoberhaupt Zeit für den größten CDU-Landesverband. „Ich bin tief beeindruckt und kann Gauck mit ruhigem Gewissen wählen“, zeigt sich CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann sichtlich erleichtert. Die Partei habe nicht zurückgeschaut, ergänzt Röttgen. Und dann das große Versprechen der Partei. „Die NRW-CDU wird ihn geschlossen wählen.“

Der evangelische Theologe Hintze ist beeindruckt, dass der Protestant Gauck auch die eher katholisch geprägte NRW-CDU für sich gewonnen hat. Der Umschwärmte selbst dämpft die teilweise überhöhten Erwartungen an seine Person. Gauck will kein „Supermann“ sein. Als die kleine Katharina dem künftigen Staatsoberhaupt vor den Toren des Augustiner-Eremitenklosters in Marienthal einen Blumenstrauß überreicht und fragt, ob er der neue König werde, wirkt Gauck im ersten Moment leicht konsterniert.

„Freieheit mit Verantwortung“

Der frühere Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer, der als „Vater des Euro“ beim Strategietreffen der NRW-CDU einen Sachverständigenrat zur Kontrolle der Währung fordert, findet in Marienthal kaum Beachtung. Gaucks Hohes Lied auf „Freiheit mit Verantwortung“ dominiert die CDU-Klausur. Der unabhängige Denker nutzt die Macht des einfachen Wortes. Manche CDU-Granden spüren den intellektuellen Sprung zum Amtsvorgänger Wulff. Offen sagen will das niemand.

Vor seiner Weiterreise verspricht Gauck den CDU-Politikern noch, dass er sich nach der bisherigen Distanz um ein gutes Verhältnis zur Union bemühen will. Dass der Bewerber ums höchste Staatsamt den ersten Parteitermin als Kandidat bei den einstigen Widersachern macht, sehen viele Christdemokraten als Zeichen der Entspannung.

CDU-Generalsekretär Oliver Wittke ist erkennbar begeistert: „Da ist ein Funken übergesprungen.“