Brüssel. Die Euro-Finanzminister geben nach Marathon-Verhandlungen grünes Licht für das zweite Rettungspaket. Private Gläubiger wollen dem Mittelmeerland nach zähem Ringen massiv Schulden erlassen. Griechenland ist mit dem neuen Rettungspaket aber keineswegs alle Probleme los. Die Details des neuen Griechenland-Deals im Überblick - und die ersten Reaktionen.

Aufatmen in Athen und Brüssel: Nach monatelangem Ringen steht das zweite Notkredite-Paket für Griechenland. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen aus den Euro-Staaten einigten sich am frühen Dienstagmorgen nach fast 14-stündigen Verhandlungen darauf, den Schuldenstaat bis 2014 mit neuen Finanzspritzen vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren.

Griechenland können nun „auf den nachhaltigen Pfad der Gesundung“ zurückkehren, sagte Schäuble. Der griechische Ministerpräsident Lukas Papademos zeigte sich „sehr glücklich“ über das endlich geschnürte zweite Hilfspaket. Dies sei ein „historischer Tag für die griechische Wirtschaft“.

Papademos weiß, dass die Zeit drängt. Am 20. März muss das pleitebedrohte Griechenland erneut Schulden in Milliardenhöhe tilgen – und ist dafür auf neue Notkredite angewiesen.

Wie viel frisches Geld braucht Griechenland?
Das zweite Hilfspaket ist wie von den Europäern angepeilt 130 Milliarden Euro schwer. Griechenland wird daraus Notkredite erhalten, um Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können – vor allem das Begleichen von Schulden. Einen Teil des Geldes soll Griechenland an kriselnde Banken weiterleiten können, um sie zu stärken.

Erlassen Gläubiger Griechenland einen Teil der Schulden?

Ja. Als Anreize sind 30 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket für private Gläubiger Griechenlands – also Banken, Versicherer oder Investmentfonds – gedacht. Sie sollen Griechenland möglichst rasch 53,5 Prozent der Schulden erlassen – 107 Milliarden Euro. Angepeilt waren zunächst lediglich 50 Prozent, was 100 Milliarden Euro entsprochen hätte. Die Europäer rangen in der Nacht zum Dienstag in Brüssel lange und hart mit Vertretern des Internationalen Bankenverbands, um dieses Ergebnis am Morgen präsentieren zu können.
So ist der Schuldenerlass angedacht: Die privaten Gläubiger tauschen möglichst rasch ihre griechischen Schuldverschreibungen („Anleihen“) in neue Papiere um, die weniger wert sind. Zudem werden die Gläubiger weniger Zinsen als bisher für ihr nach Griechenland ausgeliehenes Geld erhalten: bis 2014 zwei Prozent, bis 2020 drei Prozent und danach 4,3 Prozent.

Die Notenbanken der europäischen Staaten – die öffentlichen Gläubiger – werden sich zudem wohl bereit erklären, Zinsgewinne aus griechischen Schuldverschreibungen in ihrem Besitz nicht zu behalten. Die Zinsen sollen stattdessen wieder nach Griechenland und dort in den Schuldenabbau fließen. Das soll dem Staat helfen, seinen Schuldenstand zu senken. Die – politisch unabhängige - Europäische Zentralbank (EZB) macht bei dem Schuldenerlass nicht mit.

Woher kommt das Geld für das zweite Hilfspaket?
Notkredit-Geber sind – wie beim ersten Hilfspaket für Griechenland, das im Mai 2010 geschnürt wurde – die Europäer und der Internationale Währungsfonds IWF. Allerdings sollen die neuen Finanzhilfen der Europäer erstmals aus dem Rettungsfonds für klamme Euro-Staaten gezahlt werden. Dieser Fonds leiht sich das nötige Geld an den Finanzmärkten. Deutschland und die anderen Euro-Staaten bürgen dafür.

Der Euro-Nottopf wurde vor fast zwei Jahren eingerichtet. Damals hatten die Europäer und der IWF bereits das erste, 110 Milliarden Euro schwere Hilfspaket für Griechenland auf den Weg gebracht, das aus bilateralen Krediten besteht. Bis Ende vorigen Jahres zahlte Griechenland allein an den größten EU-Staat Deutschland 380 Millionen Euro Zinsen für diese vierteljährlich ausgezahlten Notkredite.

Der IWF stemmt möglicherweise weniger Finanzhilfen für Griechenland als bisher. IWF-Chefin Christine Lagarde sagte in Brüssel, dass das Führungsgremium des Internationalen Währungsfonds darüber in der zweiten März-Woche entscheiden wolle. Zum ersten Hilfspaket hatte der IWF noch ein Drittel der Notkredite beigesteuert.

Verlangen die Notkredit-Geber Gegenleistungen für die neuen Finanzhilfen?

Ja. Griechenland, das jahrzehntelang über seine Verhältnisse lebte, muss auch weiterhin Ausgaben zusammenstreichen, seinen maroden Staatsapparat und den Arbeitsmarkt reformieren sowie seine seit Jahren schwächelnde Wirtschaft auf Vordermann bringen. Die Europäer wollen die griechische Regierung dabei künftig noch strenger kontrollieren und überwachen.

Das hat Gründe. In den vorigen Monaten gerieten die Auszahlungen der vierteljährlichen Notkredite immer mehr zur Hängepartie, da Griechenland nicht alle Spar- und Reform-Vorgaben wie von den Geldgeber gewünscht umsetzte. Zudem zog die Opposition nicht an einem Strang mit der Regierung. Die Europäer pochten daher auf schriftliche Erklärungen aller großen Parteien, am Spar- und Reformkurs festzuhalten. Diese Erklärungen erfolgten oft erst nach großem Druck und in letzter Minute.

Die Euro-Finanzminister vereinbarten zudem, ein spezielles Konto – eine Art Sperr- oder Treuhandkonto – einzurichten. Das soll gewährleisten, dass Griechenland vorrangig Schulden begleicht. Das wiederum soll das zerstörte Vertrauen möglicher Geldgeber in das Mittelmeerland wieder aufbauen.

Was ist das Ziel der neuen Hilfen und des Schuldenerlasses?
Griechenland soll mittelfristig wieder ganz regulär Geld zu tragbaren Bedingungen an den Finanzmärkten – also bei Banken oder Versicherern – borgen können. Dazu soll die Schuldenlast bis 2020 deutlich sinken. Momentan beträgt Griechenlands Schuldenstand mehr als 160 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung. Bis 2020 soll er auf 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sinken.

Sorgenvoll blicken Experten allerdings auf Griechenlands Wirtschaft. Das BIP dürfte 2012 das fünfte Jahr in Folge schrumpfen.

EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn weiß genau, dass sich die griechische Wirtschaftslage schlechter als gefürchtet entwickelt. Kritiker schimpfen, daran seien auch die massiven Sparzwänge schuld, die die Europäer den hilfsbedürftigen Griechen auferlegen. „Wir haben die Herausforderungen infolge der schwachen Staatsverwaltung und des schwachen politischen Zusammenhalts unterschätzt“, räumte Rehn ein. Wichtig sei es nun, dass Griechenlands Wirtschaft auf den Wachstumspfad zurückkehre. Das zweite Hilfspaket für den Schuldenstaat solle dazu beitragen.

Wie geht es nun weiter?
Der Bundestag und die anderen nationalen Parlamente der Euro-Staaten müssen dem zweiten Hilfspaket für Griechenland zustimmen. In Deutschland soll das am nächsten Montag (27. Februar) geschehen. Außerdem sollen die privaten Gläubiger freiwillig Griechenland bis Anfang oder Mitte März mehr als die Hälfte der Schulden erlassen. Der Mittelmeerstaat will die nötigen Schritte nun rasch einleiten.

Ist Griechenland dank des zweiten Hilfspakets alle Probleme los?

Absolut nicht. Die neuen Finanzhilfen verschaffen dem klammen Staat lediglich einige Jahre Zeit, um die Finanzmisere zu beenden, den Staat und die Steuerbehörden zu stärken und der Wirtschaft frischen Schwung zu verleihen. Die Griechen – und die Europäer – wissen, dass das Jahrzehnte dauern kann. Und dass ein Scheitern weiterhin nicht ausgeschlossen ist.

Krawalle in Griechenland

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