Kassel. Deutschlands Sozialgerichte haben 2011 weniger Klagen zu Hartz IV bearbeiten müssen als im Vorjahr. Damit ist die Zahl der Klagen das erste Mal seit Inkrafttreten des Gesetzes gesunken. Die Richter warnen allerdings davor, von einer Trendwende zu sprechen. Auch eine Kürzung der Sozialhaushalte hätte fatale Folgen.

Die Zahl von Hartz-IV-Klagen an Deutschlands Sozialgerichten geht erstmals zurück. 2011 seien 170.488 Neueingänge und damit weniger als im Jahr zuvor in der ersten Instanz registriert worden, sagte der Sprecher des Bundessozialgerichts, Thomas Voelzke, am Dienstag in Kassel. Doch könne nicht von einer Trendwende gesprochen werden. Denn die Zahlen des vergangenen Jahres lägen noch deutlich über denen von 2009. Zudem seien in Berlin-Brandenburg und Schleswig-Holstein entgegen der Situation in anderen Bundesländern die Zahl der Klagen weiter gewachsen.

Seit Inkrafttreten der Hartz-IV-Gesetze war die Klagewelle jedes Jahr gestiegen. Auch wächst die Zahl neuer Verfahren, die bei den höheren Instanzen ankommen, jetzt noch an. Nach Voelzkes Angaben gingen im vergangenen Jahr 4.603 neue Berufungen bei den Landessozialgerichten ein. Hinzu kommen 5.659 Verfahren, in denen es um einstweiligen Rechtsschutz bei Hartz IV geht.

Landessozialgerichte lassen weniger Revisionen zu

Beim Bundessozialgericht selbst gab es 470 Hartz-Neueingänge ein, darunter ist ein wachsender Anteil von Beschwerden gegen Urteile, in denen ein Landessozialgericht keine Revision mehr zugelassen hatte. Offenbar hielten die Landessozialgericht inzwischen die "eine oder andere Rechtsfrage" bei Hartz IV durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für geklärt, sagte Voelzke. Der Weg zu einer Klage vor dem Bundesgericht wird verwehrt, wenn die Vorinstanz die Rechtsfragen für abschließend geklärt hält.

Mahnende Worte an die Bundesregierung richtete der Präsident des Bundessozialgerichts, Peter Masuch. Mit Blick auf Medienberichte über neue Kürzungspläne der schwarz-gelben Koalition warnte Masuch vor Eingriffen in die Sozialkassen. "Ich frage, mit welcher Rechtfertigung der Rettungsschirm für die Finanzmarktkrise durch Einsparungen im Sozialhaushalt finanziert werden könnte." Die Sozialkassen seien "keineswegs üppig" ausgestattet.

Gerichtspräsident Masuch warnt: Sozialkassen benötigen ihre Finanzreserven

Er habe die ernste Sorge, dass "erneut altbekannte, jedoch bisher erfolglose Streichlisten" hervorgeholt würden, nur weil es politisch opportun sei, fügte der Gerichtspräsident hinzu. Er wies darauf hin, dass angesichts einer alternden Gesellschaft die Sozialkassen dringend auf ihre Finanzreserven angewiesen seien. (dapd)