In diesen Tagen laufen die Anmeldungen an den 50 genehmigten Sekundarschulen, den Gemeinschaftsschulen und den Gesamtschulen. Im August soll der Unterricht starten. Doch wer die Lehrerkollegien dafür wann und wie fortbilden soll, ist noch weitgehend offen. Die Lehrerverbände drücken aufs Tempo.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnt vor einem Fehlstart für die soeben genehmigten 50 Sekundarschulen im Land. GEW-Chefin Dorothea Schäfer fürchtet, dass die Lehrer auf den Start im August nicht ausreichend vorbereitet werden: „Die Lehrer brauchen dringend Fortbildung. Bisher steht im Haushalt aber kein Extra-Budget dafür. Auch die maximale Klassengröße müsste festgeschrieben werden. Bisher heißt es nur ,mindestens 25 Schüler’ Beim Modellprojekt Gemeinschaftsschule gilt das als Höchstzahl. “

In Sekundarschulen sollen Kinder mit Förder-, Haupt- und Realschulempfehlung gemeinsam unterrichtet werden, unter Beachtung gymnasialer Standards.

Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) drückt aufs Tempo. „Im April müssten die Moderatoren qualifiziert sein, die die neuen Lehrerteams fortbilden sollen. Dabei steht das Konzept noch nicht einmal, es ist noch gar nicht klar, ob es genug Moderatoren gibt,“ drängt VBE-Vorsitzender Udo Beckmann. Das Schulministerium wollte auf WAZ-Anfrage keine Termine nennen. Das Konzept sei „in Arbeit und rechtzeitig zur Aufbauphase fertig.“

Unterricht startet im August

Viel Zeit bleibt nicht mehr, um Lehrer, die bislang nur mit Kindern aus einer einzigen Schulform wie Haupt-, Real- oder Förderschule oder auch mit Gymnasiasten gearbeitet haben, auf die Herausforderung Sekundarschule vorzubereiten. Im Februar laufen die Anmeldungen, im März steht fest, wie viele Schulen gegründet werden, im August startet der Unterricht.

Voll bei der Sache: Diab und Cheyenne (v.r.) mit ihrem Arbeitsblatt. Für Nicola Nothoff ist es die erste Stelle als fertige Lehrerin. Und sie ist begeistert von der Gemeinschaftsschule. Foto: Matthias Graben
Voll bei der Sache: Diab und Cheyenne (v.r.) mit ihrem Arbeitsblatt. Für Nicola Nothoff ist es die erste Stelle als fertige Lehrerin. Und sie ist begeistert von der Gemeinschaftsschule. Foto: Matthias Graben © WAZ FotoPool

GEW-Vorsitzende Dorothea Schäfer: „Das Problem ist, dass es kein landesweites Fortbildungsinstitut mehr gibt. Das hat die Rüttgers-Regierung aufgelöst. Es soll zwar wieder etwas Neues aufgebaut werden; aber das dauert noch.“ Und dass individuelle Förderung künftig im Vordergrund stehen muss, stehe zwar schon lange im Schulgesetz. „Aber passiert ist dabei noch nicht viel.“ Koordinierte Fortbildungsangebote gibt es kaum.

Gesamtschullehrer bieten Senior-Experten an

Der Verband der Gesamtschullehrer (GGG) hat nun eigens Senioren-Experten-Team zusammengestellt, um den Kollegen bei der Umstellung zu helfen. Wolfgang Kerski vom Vorstand der GGG: „Viele dieser Lehrer sind überhaupt nicht gewohnt, so differenziert zu arbeiten. Viele träumen noch von einheitlichen Lerngruppen statt von individueller Förderung mit verschiedenen Standards. Wer soll denn die Kollegen alle qualifizieren?“

Dr. Elmar Philipp, Doktor der Pädagogik und als Referent und Fortbildungsexperte schon lange vor allem im Regierungsbezirk Düsseldorf aktív, hat ein erstes Vorbereitungsprogramm für Sekundarschulen bereits erarbeitet. „Aber da kommt noch eine Menge auf uns zu. Das wird sich ja fortsetzen. Ich weiß von vielen weiteren Gemeinden, die im nächsten Jahr einsteigen möchten. Da braucht es viele Berater, viel Schulung.“ Philipp berät auch Gemeinden, die die Umstellung vorbereiten möchten. Auch er hofft, dass die Landesregierung jetzt schnell reagiert, es noch mehr Fotbildungsbudget gibt.

Erste Seminare in Arnsberg im Mai

Die Koordination der Lehrer-Fortbildung liegt bei den Bezirksregierungen, „Kompetenzteams“ aus den Städten sollen sie übernehmen. Doch die sind sehr unterschiedlich aufgestellt. Im Regierungsbezirk Arnsberg (östliches Ruhrgebiet/Westfalen) gibt es immerhin schon erste Seminartermine für den Mai, wo der genau Bedarf der neuen Teams abgeklärt werden soll.

Birgit Linden leitet die Gemeinschaftsschule in Bochum. Erfahrung mit individueller Förderung hatte sie allerdings auch vorher schon reichlich gesammelt. Foto: Matthias Graben
Birgit Linden leitet die Gemeinschaftsschule in Bochum. Erfahrung mit individueller Förderung hatte sie allerdings auch vorher schon reichlich gesammelt. Foto: Matthias Graben © WAZ FotoPool

Beim Modellversuch Gemeinschaftsschule, der im August 2011 startete, waren die Startbedingungen günstiger, obwohl die Anforderungen in beiden Schulformen sehr ähnlich sind. Maximal 25 Kinder je integrierter Klasse, ein Extra-Budget für Fortbildung, viele engagierte Lehrer für die wenigen Pionierschulen. Wie in der Bochumer Gemeinschaftsschule. In den Hauptfächern unterrichten stets zwei Lehrer, ergänzen einander. Die Stimmung in den kleinen Klassen ist ausgezeichnet, die Unterrichtsmethoden sind vielfältig. Jeder lernt hier nach seinen Möglichkeiten. Individueller geht Förderung kaum. Allerdings: 23 Kinder und zwei Lehrer, davon kann manche andere Schule auch nur träumen.

Insgesamt 69 neue, integriert arbeitende Schule geplant

Schulleiterin Birgit Linden hat vorher eine Hauptschule geleitet, die mit Förderschülern gearbeitet hat. Sie fühlte sich gut vorbereitet auf die neue Herausforderung. Und sie ist – zumindest für die beiden für Bochum genehmigten – auch in Sachen Sekundarschule optimistisch. Weil sie von vielen engagierten und in differenzierter Arbeit erfahrenen Kollegen wisse, die mitmachen wollen.

Um all die Lehrer ohne Erfahrungen mit integrierter Arbeit müsste sich die Landesregierung nun allerdings sehr bald kümmern. Und bei 50 Sekundar- plus 19 neuen Gesamtschulen dürften das eine ganze Menge sein.