Essen. Ministerpräsident Horst Seehofer macht Druck: Bis 2030 will er den Schuldenberg des Landes abbauen. Mit gut 22 Milliarden Euro steht der Freistaat in der Kreise, jetzt werden Sparmodelle entwickelt. Eins könnte sein: Kein Euro mehr für den Länderfinanzausgleich.

Bayern war schon immer gerne Trendsetter. Jetzt will der Freistaat „das erste Land in Europa sein, das bis 2030 seine Schulden abbaut“. Horst Seehofer, der Ministerpräsident, gibt dieses überraschende kühne Versprechen.

Er hat damit nicht nur die CSU-Landesminister in München überrumpelt. Er hat auch seine 15 anderen Länder-Kollegen herausgefordert. Denn die meisten von denen mühen sich gerade erst, ab 2020 keine neuen Kredite mehr aufnehmen zu müssen.

So freut sich Nordrhein-Westfalen, dass es in diesem Jahr dank hoher Steuereinnahmen allenfalls 3,6 Milliarden Euro zu pumpen hat. Was klar zeigt: Schon mit dem gegebenen Ja zur „Schuldenbremse“ tun sich viele Länder schwer. Das ist ein Gewaltakt.

Eine Milliarde im Jahr zurückzahlen

Wie also kann Bayern das viel Weitergehende schaffen? Gut 22 Milliarden sind es, die die Regierung an der Isar zurückzuzahlen hat – jedes Jahr etwa eine Milliarde.

Details nennt Seehofer vor dem Landtag kaum. Aber sein FDP- ­Koalitionspartner will die Landesbank verkaufen, und es gibt Hinweise, dass Seehofer an den Zahlungen für ärmere Bundesländer knapsen will. München gibt 3,6 Milliarden Euro jedes Jahr in den Topf des Länderfinanzausgleichs – so viel wie kein anderes Land.

Mit der Tilgungs-Idee steht der Bayern-Premier nicht alleine da. Parallel zur Euro- Schuldenkrise kommt es bundesweit zu einem Sinneswandel. Redeten Politiker bisher kaum über über eine Tilgung der seit 1970 zu einem Berg von zwei Billionen Euro angewachsenen deutschen Staatsschuld, machen heute sogar Verbandsfunktionäre Werbung für die Rückzahlung der Kredite.

Beamtenbund beauftragt Professor Kirchhoff

Wie Peter Heesen. Der Chef des Beamtenbundes hat den früheren Verfassungsrichter Paul Kirchhoff beauftragt, in den nächsten Wochen ein ­Gutachten vorzulegen. Der „Professor aus Heidelberg“ hat darin zu erklären: Wie ­lösche ich mein Schuldenkonto? Heesen: „Die so genannte Schuldenbremse ist nicht das, was wir den nachfolgenden jungen Menschen als Lösung präsentieren können. Denn Bremsen funktionieren nur, wenn die Last, die zu bremsen ist, nicht allzu groß ist“.

Noch ist diese Last sehr groß. 2012 muss der Bund für von ihm seit 1970 aufgenommene und angesammelte Kredite in Höhe von 1,4 Billionen Euro rund 37 Milliarden Euro Zinsen zahlen. Es ist der zweitgrößte Ausgabenblock nach dem für Arbeit und Soziales. Dabei sind die Zinshöhen derzeit auch noch extrem niedrig.

Ob mit oder ohne Tilgung, ein harter Sanierungskurs zeichnet sich ab. Die Länder werden bluten müssen.

So haben die vier finanziell schwächsten – das sind Berlin, Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein – weitgehende Zugeständnisse gemacht. Schon bis 2016 wollen sie ihre Kreditaufnahme mehr als halbieren. Die Landesregierungen bitten dafür die Landeskinder zur Kasse, die höhere Grunderwerbssteuern zahlen und auch auf Polizisten und Lehrer verzichten sollen.

Ärger über Schlendrian

Konflikte sind also programmiert – gerade wegen des provozierenden bayerischen ­Tilgungs-Plans. Anders als der Freistaat nämlich haben die meisten Länder Studien­gebühren wieder abgeschafft. Auch NRW hat das nach dem Regierungswechsel 2010 getan. Und das hoch verschuldete Rheinland-Pfalz erlässt Eltern alle Kita-Gebühren, während bayerische Väter und Mütter dafür in die Tasche greifen.

In München sind das alles Reizthemen. Dem „Schlendrian“ sei anderswo Tür und Tor geöffnet, so die CSU. Dafür werde man nicht zahlen. Vielleicht kommt es im Frühjahr zu einer Verfassungsklage gegen den Finanzausgleich.