Berlin. . Genau 70 Jahre ist es her, dass die Bürokratie zur Vernichtung der Juden von den Nazis forciert wurde. Noch immer sind unter Historikern Fragen über die letztendliche Bedeutung der Konferenz in der Berliner Villa am Wannsee offen.

Die Wannsee-Konferenz bedeutet einen traurigen Tiefpunkt in der Geschichte der Deutschen, und obwohl das Treffen vom 20. Januar 1942 heute nun schon 70 Jahre zurück liegt, sind noch längst nicht alle historischen Fragen restlos geklärt. Am Freitag und Samstag treffen sich deshalb rund 140 Wissenschaftler in Berlin, um offene Punkte zu diskutieren.

An einer Feststellung wird das jedoch nichts ändern. Die Wannsee-Konferenz markiert den Tag, ab dem die Massenvernichtung der Juden europaweit koordiniert und systematisch von einem Großteil des Nazi-Staates realisiert wurde. Insofern steht die Konferenz, genau wie die Gaskammern der Vernichtungslager, für die Einzigartigkeit des von Deutschen verübten Völkermordes. Massentötungen gab es schon vorher in der Geschichte der Menschheit, doch nur die Nazis haben einen bürokratisch-industriellen Großauftrag daraus gemacht.

Tarnvokabeln und bürokratische Floskeln

Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich, hatte Staatssekretäre sowie hohe Parteifunktionäre und SS-Männer eingeladen, zu einer „Besprechung mit anschließendem Frühstück“. Adolf Eichmann, Referatsleiter im Reichssicherheitshauptamt, führte Protokoll. Nirgendwo in dem Protokoll ist im Klartext eine Anweisung zum Massenmord verzeichnet, bürokratische Floskeln und Tarnvokabeln verschleiern das Vorhaben.

Gedenkstätte

Mit mehreren Veranstaltungen wird heute in Berlin an den 70. Jahrestag der Wannsee-Konferenz erinnert.

Bundespräsident Christian Wulff will eine Ansprache in der Gedenkstätte am historischen Ort halten.

Die entscheidenden Formulierungen finden sich auf den Seiten sieben und acht: „In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist.“

Massenerschießungen vor 1942

Genau hier liegt auch die Frage, die auf der wissenschaftlichen Konferenz heute und morgen in Berlin eine Rolle spielen wird. „Eigentlich hat Hitler die Entscheidung, die Juden zu vernichten, vorher schon getroffen“, sagt Wolf Kaiser, Vize-Leiter der Gedenkstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“.

Aber; „Eine Minderheit von Forschern ist der Ansicht, die Entscheidung zur Vernichtung sei erst nach der Konferenz gefallen.“ Tatsächlich gab es auch schon vor Januar 1942 Massenerschießungen. „Endlösung der europäischen Judenfrage“, so heißt es auf Seite fünf des Protokolls, verwaltungssprachlich verklausuliert. Rund sechs Millionen Juden fielen dem Rassenwahn der Nazi-Verbrecher zum Opfer.