Köln. . Früher wollten viele in den sicheren Hafen Staatsdienst, heute hat er Probleme, offene Stellen zu besetzen. Bekommen wir unsere Stempel bald vom Automaten? In einigen Gegenden gibt es das schon.
Das gibt es nicht nur in Cottbus, das gibt es auch in Frankfurt/Main: Vergangenes Jahr wurden landauf, landab Kinder eingeschult, ohne dass sie die vorgeschriebene Reihenuntersuchung beim Gesundheitsamt mitgemacht hätten. Früher war das undenkbar. Aber heute fehlen in vielen der 400 Gesundheitsämter im Land Ärzte. Stellen gibt es. Nur interessierte Bewerber nicht. Beamter – nein Danke? Fragen und Antworten zu einem Berufsbild im Wandel.
Wie stark ist der Öffentliche Dienst in Deutschland?
Bei Bund, Ländern und Gemeinden sind derzeit insgesamt 4,8 Millionen Staatsdiener beschäftigt. Davon sind 1,7 Millionen Beamte und Richter. Der deutsche öffentliche Dienst ist damit im Verhältnis zu anderen Staaten eher klein. Bei ihm arbeiten 12,6 Prozent aller Beschäftigten. In Frankreich liegt die Quote doppelt so hoch, in Dänemark fast bei 30 Prozent. Der Personalkosten-Anteil am Bundesetat, 8,4 Prozent, sei im Europa-Vergleich gering, so Beamtenbund-Chef Peter Heesen.
Die meisten sind zwischen 45 und 60
Wie sieht die Entwicklung aus?
Deutschlands Staatsdienst überaltert. Die meisten Beschäftigten sind zwischen 45 und 60 Jahre alt. In den nächsten zehn Jahren wird jeder Fünfte von ihnen in den Ruhestand gehen, beim Bund schon jeder Dritte. Ob diese 700 000 Ruheständler ersetzt werden können, ist offen, denn auch die Wirtschaft wirbt zunehmend um qualifizierte Arbeitskräfte.
Wo werden die staatlichen Beschäftigten fehlen?
Die technischen Berufe sind die größte Schwachstelle. Bei der Bundeswehr fehlen heute schon 900 Techniker und Ingenieure, um die hochempfindlichen Geräte und Computer zu warten. Massiven Personalmangel meldet der Zoll, wo mehr als eine Million Vollstreckungsbescheide nicht vollzogen werden können mit der Folge von erheblichen Ausfällen für die Staatskasse. Ähnlich sieht die Lage in der Finanzverwaltung aus. Rund 2000 Steuerfahnder fehlen. Dabei „erwirtschaftet“ jeder Steuerfahnder jährlich das Zehnfache seines Gehalts.
Die Konkurrenz der Wirtschaft ist stark
Wie kommt es, dass die jungen Leute nicht zum Staat wollen?
In den anspruchsvollen Berufen zahlt die freie Wirtschaft weit besser, die monatliche Differenz kann auf dem Gehaltszettel bei mehreren tausend Euro liegen. Nicht nur die Einstiegsgehälter sind bei Firmen höher, auch entwickeln sich Gehälter im öffentlichen Dienst wegen der starren Laufbahnen langsamer. So gehen erfahrungsgemäß gute Kräfte aus den Finanzämtern nach drei bis vier Jahren als Steuerberater „auf die andere Seite“. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber hat gerade beschlossen, umworbenen IT-Technikern pauschal bis zu 1000 Euro „Fachkräftezulage“ zu zahlen, um sie zu locken. Selbst innerhalb des öffentlichen Dienstes tobt der heftige Konkurrenzkampf um die Bewerber. Für die Krankenhäuser haben die Gewerkschaften höhere Gehälter erstreikt als im übrigen Staatsdienst. So ist es auch zur Personal-Lücke bei den Amtsärzten gekommen.
Wie will der Staat den Öffentlichen Dienst attraktiver machen?
Der Bund hat gerade mit dem Fachkräftegewinnungsgesetz die Möglichkeit geschaffen, ähnlich wie die Kommunen zu handeln. Zuschläge werden also in Einzelfällen erlaubt sein. Die Gewerkschaften fordern aber auf breiter Basis höhere Anwärterbezüge, bessere Ausbildungsvergütungen, dann auch höhere Einstiegsgehälter und mehr Aufstiegsperspektiven. Der Beamtenbund will einen Ausbau des Angebots von Heimarbeitsplätzen. Zwei Drittel aller Frauen wünschen sich nach einer Forsa-Umfrage solche Jobs.
Und die Sicherheit könnte auch verloren gehen
Ist der Öffentliche Dienst noch so sicher wie sein Ruf?
Heute noch. Aber es gibt eine Debatte über die Struktur. Der Staat selbst kündigt eine „Aufgabenkritik“ an. Also: Kann der Öffentliche Dienst Aufgaben abgeben? Zudem hält der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das bei uns geltende Streikverbot für unrechtmäßig. Gerichte in Deutschland wie das Kasseler Verwaltungsgericht sind inzwischen diesem Urteilstenor gefolgt und entschieden, dass Lehrer streiken dürfen. Noch gibt es für die Bundesrepublik keine endgültige Rechtsprechung. Aber fällt das Streikverbot, könnte der Staat die Arbeitsplatzgarantie in Teilen des Öffentlichen Dienstes in Frage stellen.
Was passiert, wenn alle Anwerbeversuche scheitern?
Dann werden wohl vor allem die Kommunen Dienstleistungen abgeben oder zumindest einschränken. In Mecklenburg-Vorpommern, wo die Bevölkerung drastisch zurückgeht, ist das schon so. Bürger-Busse rollen durch die Landkreise und ersetzen die Amtsstuben. Bestimmte kommunale Dienstleistungen gibt es am Automaten.