Brüssel. Die neue Regierung ist erst rund zwei Wochen im Amt und muss schon einen Härtetest bestehen: Ein Generalstreik beeinträchtigt das öffentliche Leben. Autos stauen sich auf den Straßen, Züge stehen still, Lehrer unterrichten nicht. Die Demonstranten protestieren gegen die geplante Rentenreform.
Zweieinhalb Wochen nach Amtsantritt hat die neue belgische Regierung unter Premierminister Elio Di Rupo einen ersten Härtetest zu bestehen: Die Gewerkschaften machen gegen die geplanten rigiden Sparmaßnahmen mobil. Am gestrigen Donnerstag legte ein Generalstreik im Öffentlichen Dienst das gesellschaftliche Leben weitgehend lahm.
Die Störungen, vor allem im internationalen Zugverkehr, hatten bereits am Mittwochnachmittag begonnen. Zugreisende Richtung Deutschland mussten auf Busse umsteigen. Am Donnerstag dann fielen die internationalen Hauptverbindungen ganz aus: sowohl der Schnellzug Thalys auf den Strecken Brüssel – Aachen und Brüssel – Paris als auch die Eurostar-Verbindung mit Frankreich und Großbritannien.
Straßen-Blockaden und lange Staus
Im ganzen Land war der öffentliche Nach- und Fernverkehr stark beeinträchtigt. Auf den Zufahrtsstraßen nach Brüssel kam es zu langen Staus, weil die Bürger versuchten, den Arbeitsplatz oder die Geschäfte per Auto zu erreichen. Mancherorts hatten die Demonstranten Straßen-Blockaden errichtet. In vielen Schulen wurden die Kinder nur betreut, aber nicht unterrichtet. Neben den Lehrern beteiligten sich auch andere Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes wie Postangestellte, Gefängnispersonal, Müllwerker und Rundfunk-Journalisten an dem Ausstand. Der Flugverkehr selbst funktionierte, aber der Zubringer-Verkehr nicht.
Ziel der Proteste ist die geplante Rentenreform, für die im Kabinett der ohnehin als ökonomischer Hardliner verschrieene flämische Liberale Vincent Van Quickenborne verantwortlich zeichnet. Vorgesehen sind unter anderem die Heraufsetzung des Vorruhestands von 60 auf 62 Jahre und eine für die Bezieher ungünstigere Berechnungsmethode der Rentenhöhe. Van Quickenbornes Ankündigung, weitere Schritte würden folgen, hat die Gemüter zusätzlich beunruhigt.
Nächster Streik ist schon angekündigt
Die Regierung demonstriert unterdessen Entschlossenheit: Sie will das Rentengesetz spätestens am Samstag verabschieden. Dann, hofft Di Rupo, werde die Feiertagsstrecke die Erregung dämpfen. Die Gewerkschaften wollen indes den Widerstand im Januar fortsetzen. Sie haben für den 30. Januar 2012 einen weiteren Großstreik angekündigt – der Tag, an dem Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen zum nächsten Gipfeltreffen in Brüssel verabredet sind.
In der aktuellen Krisen gilt Belgien wegen seiner hohen Staatsschulden – sie sind fast so hoch wie die gesamte Wirtschaftsleistung – auf den Finanzmärkten als einer der Wackelkandidaten der Euro-Zone. Die Rating-Agenturen haben die Kreditwürdigkeit des Königreichs heruntergestuft, die EU-Kommission verlangt radikale Maßnahmen zur Sanierung der öffentlichen Haushalte.