Chattanooga. . Die USA sind nicht eben für ihre Klimaschutz-Aktivitäten bekannt. Dabei tut sich auf „Grasroots“-Ebene, also von unten ausgehend, eine ganze Menge. Bei einem von der Deutschen Botschaft angeregten Treffen deutsch-amerikanischer Partnerstädte gab es nun einen umfangreichen Ideenaustausch. Durchaus in beide Richtungen.

Bevorzugte Parkplätze für Autos mit geringem Schadstoffausstoß, kostenlose E-Busse als City-Shuttle, bedarfsgerecht dimmbare LED-Straßenlampen: Das ist Standard in Chattanooga/ Tennessee. Die 180 000-Einwohner-Stadt mit ihren weit verstreuten Vorstädten hat sich in den letzten Jahren aus eigener Kraft und mit viel ­Bürgerengagement selbst ­begrünt. 1968 hatte Nachrichten-Legende Walter Cronkite die Industriestadt noch als „dreckigste Stadt der USA“ gebrandmarkt. Bis dahin war der Ort vor allem durch Glenn Millers „Chattanooga Choo Choo“-Hymne auf den Zugknotenpunkt in den Süd­staaten bekannt. Züge fahren heute nicht mehr in Chattanooga, im früheren Bahnhof residiert ein Luxushotel, dessen Gäste in historischen Eisenbahnkojen nächtigen.

Fahrräder noch selten

Bei aller Klimafreundlichkeit: Fahrradfahrer grüßen in Chattanooga Artgenossen noch heute freudig erregt, da Fortbewegung ohne Motor auch in dem umweltbewegten Städtchen noch alles andere als Standard ist. Ein Fahrradverleih mit vielen Standorten nach Vorbild der Metroräder in Deutschland soll das ­ändern. Doch auch die Bürgersteige sind leergefegt, von A nach B bringt in der Regel das Auto. Immerhin: Der Fluss ist jetzt attraktives Naher­holungsziel mit Spazierwegen und traumschöner, autofreier Brücke, die David Crockett, der Direktor des Büros für Nachhaltigkeit, mit einzeln schaltbaren LEDs ausstattete. Was er Gästen gerne vorführt.

 David Crockett hat die Komplettumstellung auf LED-Beleuchtung mit Einzelsteuerung in Chattanooga organsiert. Wie das funktioniert, führt er gern vor.   Foto: Elena v. Sperber
David Crockett hat die Komplettumstellung auf LED-Beleuchtung mit Einzelsteuerung in Chattanooga organsiert. Wie das funktioniert, führt er gern vor. Foto: Elena v. Sperber © unbekannt

Hochzeitswald

Nun sollen Brautpaare im Zentrum nach und nach einen Hochzeitswald pflanzen ­lassen, nach dem Vorbild der deutschen Partnerstadt Hamm. Dort ist dieser Wald bereits auf fast 1000 Bäume angewachsen. Deutschland ist für ökologisch interessierte Amerikaner generell ein ­großes Vorbild.

Bei einem Treffen deutsch-amerikanischer Partnerstädte in Chattanooga tauschten jetzt Dresden, Hamburg, Berlin und Hamm Erfahrungen mit nachhaltigem Wirt­schaften, Leben und Bauen mit ihren Partnern Columbus, Chicago, Los Angeles und Chattanooga aus. Das Ziel: von- und miteinander lernen.

37 Millionen Dollar gegen den Smog

Dass auch deutsche Städte in Sachen Klimaschutz von Amerikanern lernen können, liegt nicht unbedingt auf der Hand angesichts der Blockadehaltung in Sachen Klimaschutz-Verpflichtungen der USA. Dennoch tut sich auf ­regionaler und kommunaler Ebene eine ganze Menge.

Im Smog-geplagten Moloch Los Angeles etwa, bisher eine der größten CO2-Schleudern in den Staaten. Hier organisiert das Büro für Nachhaltigkeit unter Leitung von Beth ­Jines gerade ein zig-Millionen-Dollar-Programm zur Reduzierung des Treibhausgas-Ausstoßes, zu effizienterem Umgang mit Energie, grünem ­Bauen und klimaverträglicher Mobilität. Immerhin 37 Millionen Dollar kamen aus Obamas Konjunkturprogramm, die Stadt stockte für den Ausbau erneuerbarer Energien um zig Millionen auf.

Großoffensive in L.A.

4.3 Millionen Einwohner wollen im Raum Los Angeles transportiert werden, 88 Städte liegen in der Region, verbunden durch 700 Kilometer Autobahn. Flughäfen und Häfen tragen das Ihre zur Luftverschmutzung bei. Umrüstung von Lkw auf schadstoffarme Motoren, elektrische Tankstationen für Schiffe und Flugzeuge, damit die Dieselmotoren beim Laden nicht laufen müssen, rasanter Ausbau erneuerbarer Energien: Die Liste der Projekte ist lang. „Nebenbei“ geht es auch darum, das Leben in Meeresnähe an den dank Klimawandel steigenden ­Meeresspiegel anzupassen.

Glenn Millers Superhit „Chattanooga Choo Choo“ machte das einst eher häßliche Industriestädtchen weltberühmt.           Foto: Elena von Sperber
Glenn Millers Superhit „Chattanooga Choo Choo“ machte das einst eher häßliche Industriestädtchen weltberühmt. Foto: Elena von Sperber © unbekannt

In Chicago ließ der Manager des Wohnungswesens Hunderttausende Toilettenspülungen, Duschköpfe und Leuchtkörper austauschen: mit enormem Effekt; die Kosten haben sich zum Teil binnen Wochen amortisiert. In Columbus wurden unter anderem Arbeits­zeiten und damit auch der Stoßverkehr bei An- und Abreise entzerrt. Ideen gibt es in US-Städten viele. Und bei der Umsetzung ist man in Amerika in der Regel deutlich schneller als in Deutschland. Wo die Bürger mitgenommen werden oder selbst treibende Kraft sind. wie in Chattanooga, geht es gut voran.

Wichtiger Motor klima­schonender Maßnahmen ist in den USA aber auch die Wirtschaftlichkeit, da sind sich die US-Partnerstädte einig. Geld sparen dank Energieeinsparung überzeugt Unternehmen wie Bürger. Gerade erst erhielt VW in Chattanooga für seine neue Fabrik die höchstmög­liche Zertifizierung in Sachen Klimaschutz: ein 100-Prozent-Recycling-Konzept, Regenwasser-Nutzung, Fahrradstation und niedriger Energiebedarf zählen zu den Standards.

E-Auto erst gar nicht im Angebot

Gebaut wird hier allerdings der US-Passat. Und der hat nicht nur mehr Becherhalter nach McDonalds-Norm als die europäische Variante, sondern ist auch deutlich größer. Der US-Markt will es so, lautet die Begründung. Deshalb wird auch das E-Auto gar nicht erst angeboten.

Und so wird wohl auch das in der westfälischen Partnerstadt Hamm erfolgreich gelaufene Projekt „Mobil ohne Auto“, das Fahrrad- und ÖPNV-Nutzung antrieb, in Chattanooga erstmal nicht übernommen. Im Gegensatz zum Hochzeitswald-Projekt.

Global denken, lokal handeln

Das „Ecologic Institut“ organisierte das Treffen der trans­atlantischen Partnerstädte in Chattanooga im Auftrag der Deutschen Botschaft in ­Washington. Ziel war, einen nachhaltigen deutsch-amerikanischen Dialog unter dem Motto „Global denken, lokal handeln“ anzustoßen.