Durban. Es war eine harte Nacht für alle, am Ende war man froh, einen Kompromiss mit allen großen Klimasündern gefunden zu haben. Doch letztlich hat die EU beim Ringen mit Indien verloren. Das Schwellenland setzte eine Formulierung durch, die für weniger Verbindlichkeit der Vereinbarungen sorgt.
Es war eine Klimakonferenz, die einfach nicht aufhören wollte. Einen Tag und eine Nacht verhandelten die Vertreter von über 190 Staaten durch – einige waren körperlich am Rande des Zusammenbruchs. Am Ende steht nun ein Papier, die „Durban Platform“, die ein Fahrplan für die nächsten zehn Jahre im internationalen Klimaschutz ist. Der mühsam errungene Kompromiss hat einen bitteren Preis: Er steht unter Vorbehalt.
Sie ist die „Queen der Augenringe“: Conni Hedegaard, die dänische EU-Klimakommissarin mit dem großen Kämpferherz, trägt die Spuren der Nacht. Um drei Uhr früh am Sonntag „explodiert“ ihr Streit mit der indischen Umweltministerin, es ist das entscheidende Duell in Durban: Indien besteht auf der Abschwächung des Abschlussdokuments. Die EU knickt ein und Indien bekommt, was es wollte: Der neue weltweite Klimavertrag, der erst in ein paar Jahren fertig sein könnte, ist in seiner rechtlichen Form ein Stückchen unverbindlicher geworden, als es sich Europa erhofft hatte.
Es war die längste und „verrückteste“ Klimakonferenz in der Geschichte der Vereinten Nationen. Stunden über Stunden hockten die Chefunterhändler im kleineren Kreis im stickigen „Sabi Star“, einem sparsam möblierten Raum. Ernst sieht Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) aus, als er kurz raus kommt: „Wir reden erstmalig darüber, dass sich alle Staaten einer Regelung unterwerfen. Wir müssen das hier verhandeln und hier entscheiden.“ Ein chinesischer Delegierter bringt Butterbrote und ein Glas Wasser für seinen Chef. UN-Sicherheitsbeamte lassen ihn nicht rein. Die Nerven liegen blank.
Die Betroffenen müssen aus Geldmangel abreisen
Das Kompromisspapier will und will nicht fertig werden. Ärger gibt es, weil die südafrikanische Präsidentschaft Dokumente mit Verspätung fertigstellt. Andere Teilnehmer sind mit den komplizierten technischen Details schlichtweg überfordert. So trudelt die Weltklimakonferenz in höchste Zeitnot. Rund um die Sitzungssäle bauen Arbeiter bereits die Dekorationen ab. Die ersten Delegierten der Insel- und afrikanischen Staaten verlassen die Konferenz, sie haben kein Geld, um umzubuchen. „Diejenigen“, sagt Greenpeace-Experte Martin Kaiser, „die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, mussten abreisen. Die Entscheidungen fallen ohne sie.“
Doch die Strategie der EU geht auf. Deutschland hat an der Spitze von Europa eine Allianz der Betroffenen hinter sich versammelt – kleine Inselstaaten, die am wenigsten entwickelten Länder sowie die Vertreter der afrikanischen Gruppe. So soll Druck ausgeübt werden auf die großen Blockierer – neben den USA sind dies China, Indien, Brasilien und Südafrika.
Nur mit den großen Klimasündern
China beklagt sich im Plenum, stärkt Indien den Rücken, die Industrieländer seien in der Pflicht. Die Regierung in Peking habe mehr Klimaschutzmaßnahmen gestartet als sie. Die EU bleibt hart: Nur wenn sich die großen CO2-Sünder China, Indien und die USA bereit erklären, einem weltweiten Vertrag beizutreten, verlängert Europa das Kyoto-Protokoll.
Erst am Morgen einigen sich die EU und Indien auf einen Kompromiss, Indien gewinnt. Die rechtliche Verbindlichkeit des künftigen Klimavertrages wird entschärft. Was das bedeutet, darüber streiten nun die Juristen: „Es wird Monate dauern, ehe wir alle Papiere genau durchgesehen haben“, sagt Conni Hedegaard später.
Rettungssschirm voller Löcher
Doch bei Licht betrachtet sei der Rettungsschirm fürs Klima voller Löcher, kritisiert Regine Günther, Klimaexpertin der Umweltstiftung WWF. Viele wichtige Entscheidungen seien auf 2012 vertagt worden. Dann tagt die UN-Klimakarawane in Katar, der Hochburg der CO2-Emissionen.
Die wichtigsten Punkte und ihre Umsetzung
- Klimavertrag: Das neue weltweite Abkommen soll bis 2015 ausgehandelt werden und 2020 wirksam werden. Es nimmt auch Klimasünder wie die USA oder China in die Pflicht. Die EU setzte damit ihre Forderung durch. Noch ist unklar, wie rechtsverbindlich der neue Vertrag werden wird. Im Abschlussdokument ist von einer „Vereinbarung mit Rechtskraft“ die Rede.
- Kyoto-Verlängerung: Das bislang einzige verbindliche Regelwerk wird nach 2012 fortgesetzt. Die Details sowie neue Klimaschutzziele werden im nächsten Jahr ausgehandelt. Offen ist, ob die zweite Verpflichtungsperiode bis 2017 oder bis 2020 dauern soll. Kanada, Japan und Russland haben angekündigt, bei einer zweiten Kyoto-Periode nicht mehr dabei zu sein.
- Klimafonds: Der weltweite Klimafonds (Green Climate Fund, GCF) soll bereits ab dem nächsten Jahr arbeiten. Mit dem Geld von Industriestaaten sollen arme Länder bei Klimaschutz und Anpassung an Klimafolgen unterstützt werden. Ab dem Jahr 2020 sollen jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung stehen. Woher die Mittel kommen, ist allerdings noch völlig unklar, ebenso die angestrebten Beträge für die Jahre bis 2020. Der Vorschlag einer Abgabe auf Flug- und Schiffsreisen wurde gestrichen. Als „Schnellstart“ für die Jahre 2010 bis 2012 waren Entwicklungsländern 30 Milliarden Dollar zugesichert worden. Deutschland bewirbt sich um den Sitz des Fonds. Die Entscheidung fällt nächstes Jahr.