Kairo. . Die Gewalt zwischen Gegnern der Militärregierung und Sicherheitskräften in Ägypten hält an. Im Zentrum von Kairo lieferten sich beide Seiten am Sonntag den dritten Tag in Folge heftige Zusammenstöße. Seit Freitag haben mindestens zehn Menschen ihr Leben verloren.

Rauchwolken stehen über dem Tahrir-Platz. Eine schreiende junge Frau wird an ihren Haaren über den Asphalt geschleift. Unerbittlich prügeln Soldaten mit langen Knüppeln auf am Boden liegende Demonstranten ein, bis die sich nicht mehr rühren. Aus umliegenden Gebäuden schlagen meterhoch die Flammen, immer wieder sind Schüsse zu hören. Wütend antwortet die Menge mit ei­nem Hagel aus Steinen und Molotow-Cocktails. Die ägyptische Hauptstadt erlebte am Wochenende erneut Szenen wie aus einem Bürgerkrieg.

Mindestens zehn Menschen haben seit Freitag in den mit extremer Brutalität geführten Auseinandersetzungen ihr Leben verloren, über 500 wurden verletzt. Unter den Toten ist auch ein prominenter Geistlicher der Al-Azhar-Universität, der von einer Kugel in die Brust getroffen wurde.

Die politischen Parteien reagierten mit scharfer Kritik und verlangten, alle festgenommenen Demonstranten müssten sofort freigelassen werden. „Schämt ihr euch nicht?“ twitterte Friedensnobelpreisträger Mohamed El Baradei und nannte das Vorgehen der Soldaten „widerlich“. Die Muslimbruderschaft forderte den Chef des Militärrates, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, auf, sich „für die verübten Verbrechen zu entschuldigen“.

Appell aus Berlin

Bundesaußenminister Guido Westerwelle appellierte an Polizei und Armee, die Bürgerrechte zu achten. „Alle Seiten müssen der Gewalt abschwören, das Schicksal Ägyptens muss sich an der Wahlurne und durch demokratische Reformen entscheiden“, hieß es in einer Erklärung des Berliner Außenministeriums. Gestern beruhigte sich die Lage etwas. Das Zentrum Kairos ist teilweise abgeriegelt.

Bei ähnlich blutigen Straßenschlachten waren zuletzt Ende November 42 Menschen gestorben und über 1100 verletzt worden. Die neuerlichen Ausschreitungen hatten sich am Freitag entzündet, als Armee-Einheiten versuchten, eine Sitzblockade vor dem Gebäude des Premierministers sowie die Zeltlager auf dem Tahrir-Platz aufzulösen.

Erst vorige Woche hatte Ägypten die zweite von drei Etappen seiner ersten demokratischen Parlamentswahl absolviert. Mitte Januar soll das frei gewählte ägyptische Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Die neuerlichen Bilder aus Kairo jedoch von Toten und Verletzten, von brennenden Häusern und verwüsteten Straßen werfen einen dunklen Schatten auf diese demokratische Premiere.