Berlin. . In der Affäre um einen 500.000-Euro-Kredit von einer befreundeten Unternehmer-Familie gerät Bundespräsident Christian Wulff zunehmend unter Druck. Führenden Verfassungsrechtler sehen in dem Darlehen einen Rechtsbruch. Der damalige niedersächsische CDU-Ministerpräsident hätte das Geld bei einer Bank wohl nicht so günstig erhalten - wenn überhaupt.

Führende Verfassungsrechtler werfen dem Bundespräsidenten Christian Wulff vor, als Ministerpräsident von Niedersachsen geltendes Recht gebrochen zu haben. Wulff habe gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen, sagte der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim der in Berlin erscheinenden Tageszeitung "Die Welt" (Samstagausgabe).

"Es geht längst nicht mehr nur darum, ob er den Landtag unvollständig informiert hat." Vielmehr verbieten das Ministergesetz und der dazugehörige Erlass die Annahme von verbilligten Krediten. "Ein Bezug zum Amt", sagte Arnim, "ist bei dem Darlehen von Frau Geerkens aus meiner Sicht gegeben."

Wulff hatte den Kredit ohne Sicherheiten und weit günstiger als bei einer Bank erhalten

Wulff war heftig in die Kritik geraten, da er von Edith Geerkens, der Ehefrau des Unternehmers Egon Geerkens, 2008 einen Kredit von 500.000 Euro erhalten hatte. Dabei war der Vorteil nach Informationen der "Welt" noch größer als bisher angenommen. Nach einer Bundesbank-Statistik belief sich der durchschnittliche Kreditzins für Wohnungsbaukredite mit einer Zinsbindung von ein bis fünf Jahre im Oktober 2008 auf 5,43 Prozent. Das Darlehen an Wulff kostete dagegen nur vier Prozent und war laut Edith Geerkens unbesichert gewährt worden, "privat zur freien Verfügung".

Einen solchen Kredit aber hätte auch einem Ministerpräsidenten wohl keine Bank gegeben, wie eine Umfrage der Zeitung ergab. "Ohne Grundbucheintrag kein Kredit", hieß es bei der ING Diba. Auch ein anderer großer Baufinanzierer bestätigte, dass "ohne dingliche Sicherung" nur Kredite bis zu 30.000 Euro vergeben würden.

Genau daran stören sich nun auch Verfassungsrechtler. "Wenn es keine Sicherheiten gab - zum Beispiel einen Grundbucheintrag - und Herr Wulff also zu den genannten Konditionen gar keinen Kredit bei einer Bank bekommen hätte, muss man einen Verstoß bejahen", sagte Ulrich Battis von der Humboldt-Universität zu Berlin.

SPD und Grüne fordern "reinen Tisch" von Wulff

Allerdings sei für ihn noch der Amtsbezug unklar. "Man muss sehr genau prüfen, ob das eine rein private Angelegenheit war - oder eine, die einen engen Bezug zu seinem Amt als Ministerpräsident hatte." Das sieht Verfassungsrechtler von Arnim schon deshalb als gegeben an, weil Egon Geerkens an drei Reisen des Ministerpräsidenten teilgenommen habe, obwohl er nach "objektiven Kriterien nicht mehr in diese Delegationen" gepasst habe.

SPD und Grüne erhöhen unterdessen den Druck auf Bundespräsident Christian Wulff. Nach neuen Berichten über die Finanzierung seines Privathauses forderte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, wenn Wulff das höchste Staatsamt nicht beschädigen wolle, müsse er "jetzt endlich reinen Tisch machen". Die Grünen im niedersächsischen Landtag verlangten ebenfalls Aufklärung und wollen im Ältestenrat des Parlaments am Dienstag neue Fragen stellen.

"Dann wird es eng für Herrn Wulff"

Die SPD, die Wulff noch am Donnerstag Respekt für dessen Erklärung gezollt hatte, verlangt nun weitere Aufklärung vom Staatsoberhaupt. "Ein Bedauern reicht nicht, wenn Vorwürfe, wie sie jetzt in den Medien erhoben werden, im Raum stehen", sagte Generalsekretärin Nahles der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Wulff müsse "aus Respekt und aus Achtung vor unseren demokratischen Institutionen" alle Fakten auf den Tisch legen. Nahles fügte hinzu: "Es ist unerträglich, dass ausgerechnet der Bundespräsident durch sein Verhalten die Politikverdrossenheit in unserem Land spürbar vorantreibt."

Auch die Grünen sehen neue Ungereimtheiten. Der Grünen-Rechtspolitiker Hans-Christian Ströbele sagte dem "Focus", wenn sich bestätige, dass Geerkens die Verhandlungen mit Wulff geführt habe, "dann könnte das die Lage völlig verändern". Ströbele fügte hinzu: "Dann wird es eng für Herrn Wulff." Die Grünen im Landtag wollen im Ältestenrat am Dienstag ursprüngliche Fragen zu dem Darlehen noch einmal sowie ergänzende Fragen stellen. Es sei noch unklar, ob Wulff gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen habe, sagte Fraktionschef Stefan Wenzel im Deutschlandfunk.

Alt-Bundespräsident Walter Scheel macht sich Sorgen um das Ansehen des höchsten Amts im Staat. Angesichts der öffentlichen Debatte über Bundespräsident Christian Wulff und dessen umstrittene Hausfinanzierung sagte Scheel der "Bild am Sonntag", die Sitten und Gebräuche hätten sich seit Gründung der Bundesrepublik "leider auch in der Politik sehr geändert". Scheel betonte: "Ich bin dabei vor allem besorgt um das Amt des Bundespräsidenten." Allerdings sei für ihn das Wesentliche, "was der Bundespräsident am Ende aus seiner Amtszeit macht". Der FDP-Politiker Scheel war von 1974 bis 1979 deutsches Staatsoberhaupt. (dapd)