Essen. . Die letzten Zivildienstleistende werden im Dezember verabschiedet. Damit geht eine 50-jährige Ära eines nicht ganz freiwilligen Dienstes zu Ende. Viele junge Männer haben jedoch von dem Dienst in sozialen Einrichtungen profitiert und sind persönlich daran gewachsen.
Die Einsatzorte waren vielfältig: Kindergärten, Altenheime, Krankenhäuser, Behindertenwerke, das Deutsche Rote Kreuz und viele mehr. Soziale Institutionen bauten jahrzehntelang auf die Kriegsdienstverweigerer. Jetzt werden in NRW die letzten 156 Zivis entlassen. Aber was hatten die Schulabgänger davon? Ein Resümee nach 50 Jahren Zivildienst.
„Die jungen Männer haben sehr viel mitgenommen. Vor allem soziale Kompetenz“, zieht Roland Hartmann, stellvertretender Pressesprecher des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (bafza), als Fazit. Jetzt, wo die Wehrpflicht weggefallen und auch der soziale Dienst freiwillig ist, müssen die Einrichtungen natürlich Werbung machen, so Hartmann weiter. Denn soziales Engagement sei nicht selbstverständlich.
Das sieht auch Janis Schierok so. Der 24-Jährige hatte sich nach dem Abitur für den Zivildienst in einem Krankenhaus entschieden. „Ich bereue das gar nicht und finde schade, dass der Dienst wegfällt. Mich haben die Erfahrungen persönlich weiter gebracht.“ Dass ein sozialer Beruf für ihn in Frage kommt, hat er erst beim täglichen Arbeiten im Krankenhaus gemerkt: „Das hat mir Spaß gemacht und es war ein Sprungbrett zu meiner späteren Ausbildung zum Krankenpfleger.“
Statt Zivil- jetzt Bundesfreiwilligendienst
Im Jahr 2010 haben noch rund 70.000 junge Männer ihren Zivildienst geleistet. Am 1. Juli 2011 hat die Bundesregierung beschlossen, die Wehrpflicht auszusetzen. Damit fällt zugleich der soziale Ersatzdienst weg. Doch da Arbeitskräfte in den Pflegeeinrichtungen dringend gebraucht werden, wurde umstrukturiert. Neben dem bestehenden Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) können Jugendliche jetzt den Bundesfreiwilligendienst antreten.
Das Bundes-Sozialministerium hat sich das Ziel gesteckt, bis 2012 rund 35.000 Freiwillige einzustellen. Bis jetzt seien es bundesweit knapp 25.000, die freiwillig in sozialen Einrichtungen arbeiten, so Hartmann. Das sei ein erster Erfolg. Der Bundesfreiwilligendienst ist - im Gegensatz zum ehemaligen Zivildienst und FSJ - nicht auf ein bestimmtes Alter begrenzt. „Von den Freiwilligen sind 20 Prozent über 27 Jahre alt. Dazu gehören zum Beispiel Mütter oder Hartz-IV-Empfänger, die neu in den Beruf einsteigen wollen“, meint Hartmann.
Erfahrungen waren nicht schön, aber wichtig
Obwohl nicht alle Situationen angenehm waren, die Ex-Zivi Janis Schierok im Dienst erlebt hat, hätte er sich wieder dafür entschieden. „Die Erfahrungen mit Sterben, Tod und Trauer waren am Anfang schon hart. Aber die Patienten geben auch viel zurück“, meint der Krankenpfleger. Jetzt studiert er Lehramt und übernimmt in einem Paderborner Krankenhaus oft die Nachtschichten. Einen Job zu machen, der mit Menschen zu tun hat, ist ihm nach wie vor wichtig.
Janis Schierok sieht den Wegfall des sozialen Pflichtdiensts kritisch. „Ich finde das nicht gut. Den Zivildienst abzuschaffen bedeutet auch, einen weiteren Schritt Richtung Leistungsgesellschaft zu machen.“ Gerade Jüngere nähmen beispielsweise Gesundheit als selbstverstänlich an. „Mich hat der Zivildienst zum Nachdenken gebracht und neue Perpektiven eröffnet“, so sein Fazit.
Zu wenig Menschen in sozialen Berufen
Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) kritisiert die politische Entscheidung: Viele soziale Einrichtungen können das Vakuum nach dem Zivildienst bisher nicht füllen. „Gelegentlich wurden die Zivis auch ausgenutzt. Die haben teilweise ganze Arbeitsstellen ersetzt und die Dienste haben sich voll darauf verlassen“, sagt Adolf Bauer, Präsident des SoVD. Der Bundesfreiwilligendienst habe noch Startschwierigkeiten. „Es gibt genügend junge Menschen, die sich sozial engagieren würden, aber dafür müssen auch die politischen Rahmenbedingungen stimmen“, meint Bauer.
Die junge Männer im Zivildienst haben jahrzehntelang wichtige gesellschaftliche Aufgaben übernommen, meint der Verbandspräsident. Insgesamt hat das Arbeitspensum je nachdem, wo der Zivi eingesetzt war, stark variiert. Jetzt befinden sich die sozialen Einrichtungen in einer Übergangsphase, erklärt Bauer: „Da muss noch ein Umdenken stattfinden. Um den neuen Bundesfreiwilligendienst attraktiv zu machen, muss auch die Bezahlung stimmen. Das muss mehr sein als ein Taschengeld.“