Berlin (dapd). Mit einem Bekenntnis zur europäischen Solidarität und scharfen Attacken auf die schwarz-gelbe Bundesregierung hat die SPD ihren Anspruch auf die Rückkehr in die Regierungsverantwortung im Jahr 2013 untermauert. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag auf dem Berliner SPD-Parteitag "penetrante und doppelzüngige Schulmeisterei" und "Heuchelei" in der Eurokrise vor. Zuvor hatte SPD-Alt-Kanzler Helmut Schmidt in einer begeistert aufgenommenen Rede eindringlich vor einer Führungsrolle Deutschlands in Europa gewarnt.

Im Mittelpunkt der dreitägigen Beratungen stehen die Wahl des Parteivorstands sowie Debatten über das Steuer- und Rentenkonzept der Partei. Am Sonntag war die Schuldenkrise der EU eines der Hauptthemen des Parteitags. Aus der unfertigen Währungsunion müsse eine stabilitäts- und wachstumsorientierte Wirtschaftsunion werden, heißt es in einem beschlossenen Grundsatzpapier.

Wer andere Länder zum Sparen auffordere, der müsse zuvor seine eigenen Hausaufgaben machen, kritisierte Steinmeier die Bundesregierung. Stattdessen habe Schwarz-Gelb die Neuverschuldung erhöht. "Heuchelei ist das, nicht anderes", monierte Steinmeier. Merkel finde weder Worte, die Eurokrise zu beschreiben. Noch sei sie in der Lage, diese zu lösen.

"Die EU gehört nicht den Konservativen, nicht den Experten und nicht den Märkten, sondern den Menschen", sagte Steinmeier. In einer kämpferischen Rede rief er den sozialdemokratischen Delegierten zu: "Wir sind die Europapartei!" Chauvinismus und antieuropäischer Populismus hätten in der SPD keinen Platz.

Schwarz-Gelb fehle dagegen ein klarer Kurs in der europäischen Schuldenkrise: "Was gestern noch ehernes Gesetz war, das wird heute in die Tonne getreten." Dies schade dem Ansehen der Demokratie. "Entschieden worden ist immer nur das, was mit dieser dahinsiechenden FDP gerade noch über die Rampe ging. Und das ist zu wenig", sagte Steinmeier.

Steinmeier: EZB hat "Kernschmelze" der EU verhindert

Der SPD-Fraktionschef verteidigte zudem die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Krise. Die EZB habe "Tag für Tag Feuerwehr gespielt, weil niemand auf der Brücke zu sehen war" und damit die "Kernschmelze" der EU bisher verhindert. Steinmeier bezweifelte aber, "ob wir aus der unverzichtbaren Nothilfe wirklich den Königsweg für die Finanzpolitik in Europa machen sollen".

Erforderlich sei nun insbesondere ein "intelligenter Umgang" mit den Altschulden der EU-Staaten. Hierfür könne der Erblastentilgungsfonds nach der deutschen Einheit ein "Anknüpfungspunkt" sein. In "gemeinschaftlicher Haftung" müssten die europäischen Schulden innerhalb von 20 bis 25 Jahren zurückgezahlt werden.

Schmidt begeistert mit Europa-Rede

Zuvor hatte Alt-Kanzler Schmidt gewarnt, außenpolitische Fehler und die wirtschaftliche Stärke Deutschlands lösten in der EU "Unbehagen und politische Besorgnis" aus. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit der deutschen Politik sei beschädigt. "Wenn wir uns verführen ließen, eine Führungsrolle in Europa zu beanspruchen, so würden sich unsere Nachbarn zunehmend wirksam dagegen wehren", sagte Schmidt und kritisierte "schädliche deutschnationale Kraftmeierei". Es liege im "strategischen Interesse" Deutschlands, nicht wieder in die Isolation zu geraten.

Zugleich wies Schmidt die These einer "angeblichen Krise des Euro" als "leichtfertiges Geschwätz" von Journalisten und Politikern zurück. Erforderlich sei vielmehr ein "mitfühlendes Herz" für Griechenland. Eine gemeinsame Verschuldung der EU sei langfristig unvermeidlich.

Vor dem Parteitag hatte sich auch Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) zu Wort gemeldet. Er lehnte in der "Welt am Sonntag" die Pläne der SPD für Steuererhöhungen ab und kritisierte, dass sich seine Partei mittlerweile von der Agenda 2010 in zahlreichen Punkten abgewandt habe. Auch gehe er davon aus, dass in der SPD-Kanzlerkandidatenfrage parteiintern unter den Spitzenpolitikern Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Steinmeier bereits eine Entscheidung gefallen sei. Generalsekretärin Andrea Nahles sagte zu den Äußerungen Schröders, diese seien ihr "ehrlich gesagt egal".

Umfrage: SPD verliert leicht

Laut einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" musste die SPD vor ihrem Parteitag im Vergleich zur Vorwoche leichte Verluste in der Wählergunst hinnehmen. Die Sozialdemokraten verlieren einen Prozentpunkt und liegen jetzt bei 28 Prozent. Die Grünen blieben unverändert bei 15 Prozent. Ein rot-grünes Bündnis hätte damit bei Bundestagswahlen zum jetzigen Zeitpunkt keine Mehrheit (43 Prozent). Emnid befragte mehr als 3000 Personen.

dapd