Köln. Die überraschend steil angestiegene Zahl der Verkehrstoten zwingt das Land NRW zum Handeln. Betroffen sind vor allem Fußgänger. Zwischen Januar und Oktober starben 95 Menschen auf den Straßen des Landes – 51 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2010.
Für Ralf Jäger stellte das vergangene Wochenende ein schreckliches Lehrstück dar. In der Bilanz des Unfallgeschehens meldeten die Statistiker dem Innenminister 15 Tote auf den Straßen des Landes. Drei von ihnen starben im spektakulären Nebelunfall auf der A 31 Richtung Emden. Dort waren 50 Fahrzeuge ineinander gekracht. Fünf Menschen kamen bei Aachen um. Keinen Nebel gab es hier. Keine Massenkarambolage. Nur das, was die Straßenverkehrsordnung als „Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“ kennt.
Ein schneller Fahrer war auf die Gegenfahrbahn geraten, frontal in ein anderes Fahrzeug gerast. Sein Auto zerriss es in Höhe der Rückbank. Man hat die Toten aus dem Blech schneiden müssen. Jäger überdenkt auch die weiteren Folgen: „Ein Verkehrstoter bedeutet Trauer, Schock, Wut und Verzweiflung für mehr als 100 Menschen.“
Zahl der Todesopfer unter Fußgängern dramatisch gestiegen
Dafür gibt es viele Beispiele aus dem letzten Jahr. Das vom „Opa Johann“, der mitten in der Stadt von einem Auto erfasst und an die Hausmauer gedrückt wurde. Der Fahrer fuhr 100 statt 50. Der Mann verlor beide Beine. Einen Monat später starb er .
Das vergangene Wochenende also ist vielleicht nur der letzte Anstoß gewesen, sofort die strategische Kehrtwende einzuleiten: Die Ausdehnung der Raser-Kontrollen, die verstärkte sichtbare Präsenz der Radarfallen im Stadtbild, die Vorab-Veröffentlichung der Blitzer-Standorte im Internet. Jäger: „Weniger Opfer sind unser Ziel – nicht mehr Knöllchen.“
Die Polizei reagiert damit vor allem auf einen „dramatischen Anstieg“ (Jäger) der Zahl der Todesopfer unter Fußgängern. Zwischen Januar und Oktober starben 95 Menschen auf den Straßen des Landes – 51 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2010. Auch gab es 14 Prozent mehr schwer verletzte Radfahrer.
Keine neuen Stellen
Der Obergutachter des Landes, der Kölner Professor Egon Stephan, stützt die neue Linie: „Eine hohe, für die Verkehrsteilnehmer wahrnehmbare Kontrollpräsenz der Polizei ist die Basis einer erfolgreichen Unfallprävention.“ So wurde auch schon der „Killer Nr. 2“ im Straßenverkehr, der Alkoholpegel hinter dem Lenkrad, erfolgreich bekämpft. Trunkenheit als Unfallursache geht seit Jahren deutlich zurück.
Zudem, errechnet das Innenministerium, wird die höhere Kontrolldichte nicht unbedingt mehr Polizei erfordern. Zivilfahrzeuge, die „unsichtbar“ blitzen, haben einen Personalaufwand von acht Stellen. Streifenwagen mit Radarpistolen sind mit zwei Beamten besetzt. Die Geräte sind überdies ziemlich belastbar. „Zwischen 50 und 1000 Bilder am Tag“ seien möglich, sagt ein Polizist – je nach Standort.
Mehr als bisher wird es um Abschreckung gehen. Das ist gewollt. 50 bis 70 Briefe gibt es pro Jahr in einer NRW-Großstadt, die von Anliegern kommen und die um den Aufbau eines Blitzgerätes in ihrer Straße bitten. Manchmal ist ein Kita in der Nähe, oder ein beliebter Kiosk. „Die rasen hier so“, wird in den Petitionen geklagt. Verbittert haben die genervten Bürger bisher meist die Absage der Polizei registrieren müssen, die keinen Unfallschwerpunkt sah.
Seit drei Tagen schreibt man im Kölner Präsidium, wo das Konzept schon in Kraft ist, auch in solchen Fällen Zusagen. „Ganz anders“ fühlt sich nun der zuständige Beamte.