Frankfurt/Main. Mit der Konzentration auf aktuelle Themen will die FDP wieder bei den Bundesbürgern punkten und aus ihrem Umfragetief herauskommen. FDP-Chef Rösler ruft die Liberalen zu neuer Geschlossenheit auf . Die Parole: “Jetzt erst recht!“
Mit einem Appell zu neuer Geschlossenheit und scharfen Angriffen auf die politischen Gegner Parteichef Philipp Rösler am Samstag den FDP-Sonderparteitag in Frankfurt am Main eingeläutet. Zugleich ging der FDP-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister in Sachen Mindestlohn und Betreuungsgeld auf Konfrontationskurs auch zum Koalitionspartner CDU/CSU. Die 662 Delegierten rief Rösler auf, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen, wieder zu kämpfen und endlich "die Taschentücher wegzustecken". Einzig die FDP sei der Garant für die freie und soziale Marktwirtschaft in Deutschland.
"Es ist gut, dass es eine Partei gibt, die sich gegen diesen Zeitgeist stellt", sagte der FDP-Chef mit Blick auf Mindestlohndebatten und Forderungen nach verbindlichen Frauenquoten. Doch sei soziale Marktwirtschaft mehr als das Fordern von Steuersenkungen. Auch eine "kluge Regulierung" der Finanzmärkte gehöre heute dazu. Eine Finanztransaktionssteuer lehnte Rösler entschieden ab.
Vertauen gewinnen
Zur aktuellen Euro-Krise sagte Rösler, die Menschen seien immer stärker verunsichert. Für sie stelle es sich so dar, dass das Wirtschaftssystem und das Wertesystem "immer weniger in der Lage ist, unseren Wohlstand zu sichern". Aber genau deswegen brauche es eine Partei wie die FDP, die den Menschen wieder Mut mache und Vertrauen zurückgebe. Die FDP brauche sich "nicht neu zu erfinden" und sei mit der aktuellen Ministerriege gut aufgestellt.
Ausdrücklich bekannte sich Rösler zu Europa und zu den Möglichkeiten, den Euro als gemeinsame Währung zu retten. Dabei gehe es aber nicht um versteckte Finanzierung von Pleitestaaten und eine Aufweichung des Euros, wie ihn offenbar die Opposition anstrebe. Dazu sage die FDP ein ganz klares Nein, versicherte Rösler: "Wir werden alles drei verhindern: Transferunion, Euro-Bonds und Jürgen Trittin als Bundesfinanzminister."
Watschen für die Opposition und Streicheleinheiten für FDP
Hart ging Rösler mit der Opposition ins Gericht. Die SPD belüge die Menschen, wenn sie von Haushaltskonsolidierung spreche, sagte der FDP-Chef mit Hinweis auf die hohe Verschuldung SPD-regierter Bundesländer. Und die Grünen seien eine "Dagegen"-Partei: gegen neue Kraftwerke, gegen Bahnhöfe und gegen Forschung und Innovation. "Die Grünen sind die Politik gewordene Zone 30." Und die Linken schließlich seien auf dem Weg zum Kommunismus, den außer den eigenen Genossen keiner in Deutschland wolle.
In seiner fast einstündigen Rede streichelte Rösler immer wieder die angeschlagene Parteiseele der FDP und rief die von schwachen Umfragewerten gebeutelten Liberalen zum geschlossenen Handeln auf. Sein Abschlussappell: "Wir bleiben niemals liegen, wir stehen immer wieder auf. Wir werden kämpfen für unser Land, für die Freiheit. Jetzt erst recht!"
FDP streitet auf "Meinungsbildungsparteitag"
Mit der Konzentration auf aktuelle Themen will die FDP wieder bei den Bundesbürgern punkten und aus ihrem Umfragetief herauskommen. Dazu kamen am Samstag 662 Delegierte zu einem außerordentlichen Bundesparteitag in Frankfurt am Main zusammen. Im Mittelpunkt der zweitägigen Veranstaltung steht die künftige Bildungspolitik, daneben will der Parteitag aber auch über die Euro-Krise, das Betreuungsgeld, den geplanten Afghanistan-Abzug der Bundeswehr sowie über den Mindestlohn debattieren.
Kurz vor dem CDU-Parteitag Anfang kommender in Leipzig gehen die Liberalen damit auf Konfrontationskurs zum Koalitionspartner. Ausdrücklich spricht sich der Bundesvorstand in seinem Dringlichkeitsantrag gegen einen flächendeckenden allgemeinen Mindestlohn aus und erinnert an die Vereinbarung des Koalitionsvertrages. Darin hatten sich CDU/CSU und FDP auf genau diese Position verständigt.
Ursprünglich wollte die FDP auf ihrem außerordentlichen Bundesparteitag den Weg frei machen für das neue Grundsatzprogramm. Doch wird diesmal nur über das Schwerpunktthema Bildung beraten, das vor sechs Monaten auf dem ordentlichen Bundesparteitag aus Zeitgründen nicht mehr behandelt werden konnte. Überschattet wird der Parteitag von der Euro-Krise, die die FDP in den dritten Mitgliederentscheid ihrer Geschichte gezwungen hat.
Die stellvertretende Parteivorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte, angesichts der Zweifel an Europas Zukunftsfähigkeit werde der Parteitag ein Signal senden, dass die FDP ein proeuropäische Partei bleibe, sich als Anwalt der sozialen Marktwirtschaft positioniert und für Generationengerechtigkeit eintrete. Insofern werde der außerordentliche FDP-Bundesparteitag, der sich eigentlich mit der Bildung befassen sollte, nun ein "Meinungsbildungsparteitag" sein. (dapd)