Magdeburg. . Beschäftigte der Diakonie dürfen bei Tarifauseinandersetzungen nicht streiken. Das hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland am Mittwoch beschlossen. Betroffen sind bundesweit 435.000 Mitarbeiter. Die Synode warnte zudem, dass Tarifflucht von Diakonie-Unternehmen nicht geduldet werden sollen.
Mit der Zustimmung zu einem Gesetzes zu Tarifauseinandersetzungen bei der Diakonie hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat am Mittwoch vermutlich Tausende Mitarbeiter von Diakonie-Einrichtungen in Deutschland verärgert. Wie eine EKD-Sprecherin erklärte, hat die Synode einmütig beschlossen, dass für Diakonie-Beschäftigte auch künftig ein Streikverbot gilt.
Damit ist die Praxis des "3. Wegs" bei der Diakonie jetzt erstmals durch ein Kirchengesetz manifestiert, das nun in allen 22 Einzelkirchen in der EKD Anwendung findet. Löhne, Arbeitszeiten oder Tarifsysteme werden dabei nicht von Gewerkschaft und Arbeitgeber ausgehandelt, sondern von kircheninternen arbeitsrechtlichen Kommissionen. Im Falle des Zwists ist eine verbindliche Schlichung festgelegt ohne dass Beschäftigte Druckmittel hätten, wie etwa Warnstreiks. Bis dato hatte dieser „3.Weg“ nur die Form einer Kirchen-Ordnung, er wird seit Jahrzehnten praktiziert.
Synode warnt vor Outsourcing in der Diakonie
Nach Aussage der EKD hätten die Delegierten der Synode an das Gesetz zehn Forderungen "zur solidarischen Ausgestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts“ geknüpft. Darin heißt es unter anderem, dass die Kirche Tarifflucht bei Diakonie-Unternehmen nicht dulden wolle: „Diakonische Unternehmen, die über privatrechtliche Konstruktionen in den Ersten Weg ausweichen wollen, müssen mit Ausschluss aus der Mitgliedschaft im Diakonischen Werk rechnen". Konkret geht es um Outsourcing von Beschäftigten etwa in Leiharbeitsfirmen, wie es mittlerweile auch in manchen Diakonie-Unternehmen Praxis geworden ist. Die Synode erklärte in einer "Kundgebung": Outsourcing sei "mit dem kirchlichen Arbeitsrecht nicht vereinbar".
Nach Schätzung der Gewerkschaft Verdi sind 75.000 der 435.000 Diakonie-Beschäftigten in Deutschland bereits in ausgelagerten Betrieben tätig, die weit unter Tarif zahlen. Orientierte sich die Entlohnung kirchlicher Beschäftigter früher an den Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes, würden zunehmend mehr Diakonie-Beschäftigt heute deutlich darunter verdienen, sagt Roland Brehm, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen in Westfalen (AGMAV). Bei der Diakonie Rheinland/Westfalen-Lippe, zu der etwa 4900 Diakonie-Betriebe von der Arbeitslosenberatung bis zum Krankenhaus gehören, liegen aktuell keine Zahlen zur Ausbreitung etwa von Leiharbeit vor, erklärte Sprecher Volker König auf Anfrage von DerWesten: "Wir machen aber gerade eine Erhebung dazu." Auch die Synode sprach sich dafür aus, die tatsächlich Lage vor Ort zu erkunden und regte eine unabhängige Studie zu den Arbeitsbedingungen von Diakonie-Beschäftigten an.
Viele Diakonieeinrichtungen sind wirtschaftlich unter Druck
Mit ihrer "Kundgebung" will die Synode das Augenmerk "auf die veränderten Rahmenbedingungen im Sozial- und Gesundheitswesen" lenken, das durch die Öffnung für privatgewerbliche Träger "unter wachsendem Wettbewerbsdruck steht". Viele Träger würde wirtschaftlich an der äußersten Grenze arbeiten, weil die geleistetet Arbeit vom Staat "nicht angemessen refinanziert werde".
Für Max Jalaly, Mitarbeitervertreter bei den Märkischen Einrichtungen des Evangelischen Johanneswerks in Lüdenscheid, hat die Entscheidung der Synode überrascht. So soll EKD-Präses Katrin Göring-Eckardt noch am Dienstagabend auf der Synode versichert haben, das Gesetzt würde nicht ohne gründliche Prüfung von der Synode verabschiedet. Laut Jalaly geht man bei der AGMAV allerdings davon aus, dass die Entscheidung der Synode, das Streikverbot in Form eines Kirchengesetzes zu formulieren, rechtlich nicht haltbar sei.
Unterdessen geht ein Rechtsstreit weiter, in dem die Gewerkschaft Verdi für ein Streikrecht von Diakonie-Mitarbeitern kämpft. Im Januar hatte das Landesarbeitsgericht Hamm entschieden, dass ein Streikverbot nur in Teilen in Diakonie-Betrieben rechtmäßig sei - etwa in "Kernbereichen" wie der Pflege. Bei Hausmeistern oder Küchenpersonal hingegen würden in Tarifauseinandersetzungen hingegen durchaus streiken dürfen. Die EKD hat gegen das Urteil Revision eingelegt.