Tel Aviv. Berichte israelischer und britischer Medien verunsichern den Nahen Osten. Der Iran stellt „böse Überraschung“ in Aussicht.
Israelis sind Luftschutzsirenen gewöhnt: Mindestens einmal im Jahr hält der Zivilschutz im ganzen Land eine große Übung ab und die Bevölkerung dazu an, sich für den Ernstfall mit den Schutzräumen bekanntzumachen. So war die Übung Donnerstagmorgen, bei der ein Raketenangriff auf Tel Aviv und die Verteilung von Gasmasken geübt wurden, eigentlich nichts Besonderes. Wären da nicht die anderen Zeichen, die immer mehr Bürger besorgt nachfragen lassen, ob ihre Regierung sich auf einen Präventivschlag gegen Irans Atomprogramm vorbereitet. Jerusalem fürchtet das Atomprogramm, weil es vermutlich militärischen Zwecken dient und der Iran offen die Vernichtung Israels fordert.
Es begann mit einer reißerischen Überschrift vergangenen Freitag in der auflagenstärksten Tageszeitung „Yedioth Aharonot“. Dort warnte Israels bekanntester Journalist Nahum Barnea, mit Zugang zu den wichtigsten Politikern im Land, davor, dass Verteidigungsminister Ehud Barak und Premier Benjamin Netanjahu sich bereits entschlossen hätten, den Iran anzugreifen. Danach überschlugen sich die Ereignisse. Israel testete eine ballistische Rakete, laut ausländischen Quellen eine verbesserte Version der „Jericho 3“ mit 7000 Kilometern Reichweite und der Fähigkeit, nukleare Sprengköpfe zu tragen. Laut ausländischen Quellen soll Israel rund 200 Atombomben besitzen.
Kurz darauf gab die Armee bekannt, dass 16 Kampfbomber vom Typ F-16 über Sardinien ein Manöver abgehalten hätten. Es habe das Auftanken in der Luft, Luftraumüberwachung und den Angriff weit entfernter Ziele erprobt, hieß es. Genau das, was für einen Angriff auf den Iran notwendig wäre. In der Knesset, dem israelischen Parlament, sagte Netanjahu: „Der Iran versucht weiterhin, sich atomar zu rüsten. Ein Iran mit Atombomben ist eine Gefahr für den Nahen Osten und die ganze Welt. Und stellt für uns eine schwere, direkte Bedrohung dar.“ Wenige Sätze später erläuterte Netanjahu Israels Verteidigungsdoktrin: „Wenn dich jemand umbringen will, töte ihn zuerst.“
Warnung vor Desaster
Dazu gesellte sich ein Bericht des britischen „Guardian“. Während Israels Yedioth berichtet hatte, dass die USA versuchen, Israel von einem Angriff auf den Iran abzuhalten, schrieb der Guardian, dass Großbritannien in Vorbereitung eines Angriffes der USA auf den Iran mehr Schiffe in den Persischen Golf entsenden will.
Der Iran reagierte umgehend. Außenminister Ali Akbar Salehi sagte, israelische Drohungen seien nichts Neues: „Wir sind auf einen Krieg mit Israel vorbereitet.“ Man werde die „Zionisten“ empfindlich strafen, sagte Generalstabschef Hassan Firouzabadi, der Israel eine „böse Überraschung“ in Aussicht stellte. „Falls die Zionisten angreifen, werden die Amerikaner auch getroffen werden.“
Israels Führung bemühte sich, die Lage zu beruhigen. Der Raketentest, das Luftwaffenmanöver und die Zivilschutzübung seien „seit Monaten in Planung gewesen“, sagte ein Armeesprecher. Barak sagte im Armeeradio, es „sei Unfug, anzunehmen, dass in Israel zwei Personen allein eine Entscheidung wie einen Angriff auf den Iran“ beschließen könnten. Minister empörten sich über die öffentliche Debatte und den Wettlauf um kriegstreibende Sensationsmeldungen, die der Artikel in Israels Medienlandschaft losgetreten habe. Hochrangige ehemalige Offiziere wie Geheimdienstchef Meir Dagan warnten vor einer Katastrophe, falls Israel tatsächlich allein gegen Teheran vorgehe.