Tel Aviv. . Die Israelis wissen nicht recht, was sie von der Revolution im Nachbarland Ägypten halten sollen. Einerseits bewundern sie den friedlichen Protest und die Freiheitsliebe der Ägypter, andererseits hat Isreal über Jahrzehnte gute Erfahrungen mit Hosni Mubarak gemacht.

Die Israelis verfolgen die Ereignisse im Nachbarland Ägypten mit großer Spannung. Seit Tagen beherrschen sie die Schlagzeilen, – oft auf überraschend positive Weise.

Israelische Reisegruppen, die aus Ägypten flüchteten, be­tonen immer wieder die Gastfreundschaft der ehemaligen Erzfeinde, Zeitungen be­rich­ten bewundernd über den Mut und die Freiheitsliebe ägyptischer Massen, die weder den Untergang Israels fordern noch Flaggen mit dem Davidstern verbrennen.

Die atemlose Berichterstattung über die friedlichen Proteste in Kairo hat zweifellos die Stereotypen über „die Araber“ zerschlagen, die einzig Israel vernichten wollen. „Ein Ägypten, dass auf demokratischen Werten basiert wird niemals eine Bedrohung für den Frieden sein“, beruhigte Premierminister Benjamin Ne­tan­jahu in einer Ansprache vor der Knesset.

Doch diese Sichtweise wird von Sorgen überschattet. Seit dem Ausbruch der Unruhen halten Außenministerium und Armee täglich Beratungen ab. Israel macht keinen Hehl daraus, dass es Präsident Hosni Mubarak so lang wie möglich im Amt sehen möchte. Dies rührt zum einen von persönlichen Kontakten: Hochrangige israelische Politiker pilgern seit Jahrzehnten zum Präsidentenpalast in Kairo, um sich zu beraten.

Manche schlossen dabei Freundschaft: „Egal was man über ihn denkt“, meinte vor wenigen Tagen Präsident und Friedensnobelpreisträger Si­mon Peres. „Wir stehen in Mubaraks Schuld dafür, dass er immer ein fester Fels war der sich für Frieden und Stabilität eingesetzt hat.“ Mubarak war der wichtigste Bündnisgenosse des moderaten arabischen Lagers, das bereit war, mit Israel zu verhandeln. Er bot pragmatischen Palästinensern vor den Angriffen islamischer Extremisten diplomatische Rückendeckung.

Deswegen lassen nicht bloß persönliche Motive Israel zu Mubarak halten: „Es könnte dauern, bis die demokratischen Kräfte einen Sieg davontragen. Langjährige Instabilität wäre die Folge“, warnte Netanjahu. Israels Führung scheint erstarrt zu sein. Ein Sturz Mubaraks droht eine 30 Jahre alte Realität von Grund auf zu verändern.

Bisher war Ägypten, der wichtigste arabische Staat, ein Freund. Nun fürchtet Jerusalem, dass Kairo ins Lager der Feinde überlaufen könnte: „Die neuere Geschichte zeigt uns viele Beispiele, in denen radikale islamistische Kräfte Demokratien missbrauchten, um an die Macht zu kommen und anti-demokratische Re­gimes installierten.“ Netanjahu verwies auf den Iran, Libanon und den Gazastreifen, wo nach Wahlen radikale, israel-feindliche Elemente an die Macht kamen. In einem Land, das in den 62 Jahren seit seiner Gründung neun Kriege und zwei Intifadas durchmachte, gelten solche pessimistische Prognosen als die realistischeren. Mit Besorgnis hört man hier von Meinungsumfragen, laut de­nen 95 Prozent der Ägypter sich eine größere Rolle für den Islam in der Politik wünschen, oder Teile der Scharia in Gesetze fassen wollen. Etwa jeder zweite Ägypter sympathisiert demnach mit der Hamas, Israels Erzfeind. Und so befürchten viele eine Machtergreifung der Muslimbruderschaft, die wiederholt erklärt hat, dass sie den Friedensvertrag mit Israel annullieren will.

„Ich erkenne keine Parallelen zwischen Iran und Ägypten“, sagt der ehemalige Mossadchef Efraim Halevy. Er hält eine Machtübernahme von islamischen Extremisten für unwahrscheinlich, und glaubt, „dass Israel unzerstörbar ist.“ Doch Stimmen, die zur Besonnenheit und Ruhe aufrufen, bleiben hier vorerst eine Minderheit.