Washington. . Mitt Romney erklärt China zum Betrüger, Herman Cain wirbt für einen elektrischen Zaun gegen illegale Einwanderer, Michele Bachmann will alle Steuern abschaffen – wie sich die möglichen Kandidaten der Konservativen gegen Präsident Obama mit extremen Forderungen in Szene setzen.
Die Muskelspiele der republikanischen Präsidentschaftskandidaten gegehn in die nächste Runde. Ein Überblick über die Positionen und Aussichten der acht Kandidaten, die den amtierenden Präsidenten Barack Obama die Wiederwahl streitig machen wollen.
Wer liegt in den Umfragen vorn?
Mitt Romney, der gemäßigte, erfahrenste Kandidat, Ex-Gouverneur von Massachusetts, hat Rick Perry aus Texas abgeschüttelt, der sich öffentlich zuletzt um Kopf und Kragen redete. Doch in Herman Cain, Ex-Chef einer Pizza-Kette, ist Romney unerwartete Konkurrenz erwachsen. Der Afro-Amerikaner Cain verbreitet gute Laune, schlichte Sprüche und wirbt mit dem griffigen 9-9-9-Slogan.
Was verbirgt sich dahinter?
Cain will die Einkommens-, Unternehmens- und Mehrwertsteuer einheitlich auf diesen Wert festsetzen. Seine These, so entstünden sechs Millionen neue Jobs plus Mehreinnahmen für den Staat, hält eine Überprüfung allerdings nicht aus. Unabhängige Ökonomen haben ausgerechnet, dass dem Staat erhebliche Einnahmen wegbrächen. Zudem müssten Durchschnittsverdiener mehr zahlen, während Reiche entlastet würden. Cain behaart darauf, dass sein Plan die Mehrheit beglückt. Seine Parteifreunde werden ihn dafür vor den Live-Fernsehkameras „grillen“.
Wie erklärt sich die Zustimmung für Cain im konservativen Wahlvolk?
Anders als Romney, Perry, Rick Santorum, Ron Paul, Jon Huntsman oder Gingrich hat Cain kein politisches Sündenregister. Er war nie in einem öffentlichen Amt. Das macht ihn attraktiv, vor allem für die Tea-Party-Bewegung. Diese radikal-populistische Gruppierung in der republikanischen Partei befürwortet alles, was den Staat schwächt. Seiteneinsteiger Cain bedient diese Erwartungshaltung.
War nicht Michele Bachmann die Ikone der Tea-Party?
Ja. Aber ihr Stern ist gesunken. Sie gilt als unberechenbar – kürzlich forderte sie die Abschaffung sämtlicher Steuern – und würde liberale Wechselwähler mit ihrem aufgesetzten evangelikalen Ton vergrätzen.
Wie versuchen sich die Kandidaten Gehör zu verschaffen?
Mit Lärm und außenpolitischen Vorschlägen, die stutzig machen. Herman Cain schlug ernsthaft vor, an der Grenze zu Mexiko einen elektrischen Zaun und einen Kanal zu bauen, um die illegale Einwanderung zu stoppen – mit Krokodilen drin. Nach einem öffentlichen Aufschrei, ruderte er zurück: „Hab’ nur Spaß gemacht.” Sein Konkurrent Rick Perry, Gouverneur von Texas, will das US-Militär über die Grenze schicken, wenn der zerrüttete Narco-Staat Mexiko seine Drogen-Kartelle nicht in den Griff kriegt.
Unterscheidet sich Mitt Romney hier von den anderen?
Bedingt. Romney führt die Riege derer an, die China als Ursache für die amerikanische Malaise ausgemacht haben. Der ehemalige Hedge-Fonds-Manager nennt das Riesen-Reich, das für über eine Billion Dollar amerikanischer Schulden bürgt, einen „Betrüger”, den er “vom ersten Tag an „zur Rechenschaft ziehen werde. Hintergrund: China hält seine Währung weiter unterbewertet, was den amerikanischen Dollar schwächt. Jon Huntsman, Ex-Botschafter der USA in Peking und der einzige Kandidat mit außenpolitischer Erfahrung, hält solche Drohgebärden für schädlich: „Ein Handelskrieg wäre das schlechteste Mittel.” Huntsman ist im Rennen um die Kandidatur allerdings chancenlos.
Warum lösen Romneys Vorstellungen in Europa und andernorts Besorgnis aus?
Weil Europa, also die EU, die Nato und die Vereinten Nationen bei ihm gar nicht vorkommen. Was Romney jetzt vor Armee-Kadetten in Charleston darlegte, kommt einer Gebrauchsanweisung aus dem Kalten Krieg gleich und nährt die Sorge derer, die die USA auf dem Weg in einen neuen Isolationismus wähnen. Amerika sei von „starken, entschlossenen” Mächten umgeben, die „Frieden und Freiheit” bedrohten, sagte Romney. Er nannte ausdrücklich Kuba. Um diesen Gefahren zu begegnen, kündigte er politische Alleingänge und weitaus höhere Militärausgaben an, etwa die Verdoppelung der Produktion von Kriegsschiffen für die Marine. Dass im Kongress von Demokraten und Republikanern gemeinsam zurzeit dreistellige Millionenkürzungen im Etat des Pentagon vorbereitet werden, um dem gigantischen Haushaltsdefizit ansatzweise beizukommen, ficht Romney nicht an.
Kann noch ein Überraschungskandidat auftreten?
Nur theoretisch. Ende Oktober laufen die Fristen für jene Bundesstaaten ab, die mit ihren offiziellen Vorwahlen in weniger als drei Monaten starten. Iowa macht nach jetzigem Stand am 3. Januar den Auftakt. In der Zeit bis dahin eine gewaltige Summen verschlingende Kampagne aufzubauen mit der nötigen Präsenz in den umkämpften Bundesstaaten, gilt als aussichtslos.
Welcher Kandidat hat die größte Kriegskasse?
Der Amtsinhaber. Barack Obama hat ausweislich des offiziellen Berichts der Wahl-Kommission allein zwischen Ende Juni und Ende September rund 42 Millionen Dollar an Spenden eingenommen; weitere 60 Millionen liegen auf dem Konto. Bei den Republikanern liegt Perry (17 Millionen) knapp vor Romney (14 Millionen). Beide haben die gleiche Summe noch mal auf der Bank. Herman Cain, der sich selbst „Hermanator“ nennt, kam auf 2,8 Millionen Dollar. Auch darum sehen Analysten seine Tage gezählt.