Essen. . Die überschuldeten Revierkommunen reagieren mit Empörung auf den Vorschlag des Essener Kämmerer Lars Martin Klieve (CDU), der überschuldete Städte auflösen und den Nachbarkommunen zuordnen will. Auch die Landesregierung lehnt den Vorschlag ab.
Die Reaktionen kamen prompt und ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Essens Kämmerer Lars Martin Klieve (CDU) erhielt für seinen Vorstoß, überschuldete Städte aufzulösen und den Nachbarstädten zuzuschlagen, beißende Kritik aus den anderen Revierkommunen.
„Diese Form von Panikmache schießt völlig übers Ziel hinaus und lenkt davon ab, dass die Ursachen der Finanzkrise im Kern nicht hausgemacht sind“, kritisierte etwa Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD). Und: „Es ist schon befremdlich, dass wir nach wie vor Solidarleistungen für den Aufbau Ost leisten, aber die Solidarität vor der eigenen Haustür infrage gestellt wird.“
„Das ist absurd“
Auch Klaus Wehling (SPD), Oberbürgermeister des tief verschuldeten Oberhausen, fuhr schweres Geschütz auf. Er habe sich „persönlich“ bei seinem Essener Amtskollegen Reinhard Paß über Klieves Vorstoß beschwert. Denn: „Dieser Vorschlag ist nicht nur unsinnig, sondern auch schädlich für alle ernsthaften Bemühungen, der kommunalen Finanzkrise in einem gemeinsamen Kraftakt von Städten, Land und Bund wirkungsvoll zu begegnen“, so Wehling. Größe allein sei noch „kein Allheilmittel. „Herr Klieve weiß als Kämmerer selbst, dass kein Vermögen entsteht, wenn zwei Arme zusammenlegen.“
Mülheims Stadtkämmerer Uwe Bonan geht davon aus, dass der Vorschlag seines Essener Amts-Kollegen einzig dazu diente, persönlich Aufmerksamkeit zu bekommen. „Der Vorschlag, Städten ohne Sanierungsperspektive die Selbstständigkeit zu nehmen, ist nicht ernst zu nehmen, er ist absurd.“ Natürlich müsse jede Stadt weiter konsolidieren, ernsthaft sparen und die internkommunale Zusammenarbeit sollte verstärkt ausgebaut werden, sagte Bonan.
Selbst die Stadt Essen sah sich genötigt, sich von ihrem eigenen Kämmerer zu distanzieren. In einer Stellungnahme hieß es knapp: „Die Aussagen, mit denen Kämmerer Lars-Martin Klieve in der WAZ unter dem Titel „Pleitestädte auflösen“ zitiert ist, sind seine rein persönlichen Auffassungen und entsprechen nicht der offiziellen Meinung der Stadt Essen.“
Kämmerer Klieve hatte zuvor in der WAZ Gemeinden ohne eine reale Sanierungsperspektive offen mit einem Ende der Selbstständigkeit gedroht. „Für den Fall, dass eine Stadt nicht mehr in der Lage wäre, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen und die staatliche Ebene hierfür eintreten würde“, so Klieve, „käme nur die völlige Entschuldung und Auflösung der betreffenden Gebietskörperschaft in Betracht.“ Der Gesetzgeber könne dann „etwa einzelne Stadtbezirke Nachbarkommunen zuordnen“.
„Passt in den Karneval“
Auch der für die Kommunen zuständige nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) stimmte in den Kritiker-Chor ein: „Der Vorschlag des Essener Stadtkämmerers passt wohl eher in die karnevalistische Jahreszeit“, sagte Jäger zur WAZ. Das Land lasse die Kommunen nicht im Stich. Jäger: „Unser Ziel ist es, die Städte wieder handlungsfähig zu machen.“
Und Marc Herter, SPD-Fraktionsgeschäftsführer im Landtag, meinte: „So absurd der Vorschlag als solcher ist – er ist Symbol für eines: Die CDU hat selbst den Kompass verloren.“