Essen. . Vor zehn Jahren hat der Krieg in Afghanistan begonnen. Dabei haben unbemannte Flugzeuge die Kriegführung verändert und eine immer größere Rolle eingenommen – und nicht nur dort. Völkerrechtler kritisieren den Einsatz der Drohnen außerhalb der Kriegsgebiete.

Oberstleutnant Matthew Martin war für die US-Luftwaffe an den Fronten in Afghanistan und im Irak im Einsatz. Nachdem er dort seine Raketen auf die „Aufständischen“ gefeuert hatte, holte er seine Kinder von der Schule ab – daheim in Nevada. Martin hat seine tägliche Arbeit in dem Buch „Predator“ aufgeschrieben. Es zeigt, wie sich die Kriegführung im 21. Jahrhundert verändert hat. Es ist der Krieg der Drohnen. Dank hochauflösender Bilder, schneller Übertragungsraten sowie immer größerer Reichweiten und Bewaffnungen können die Piloten 11 000 Kilometer von Kabul entfernt die Einsätze von der Creech Airbase im Norden von Las Vegas per Joystick steuern.

Als vor zehn Jahren die USA El Kaida und ihren Verbündeten den Krieg gegen den Terrorismus erklärt haben, besaß die US Air Force gerade eine Handvoll Drohnen. Heute sind es über 7000. Wie viele Menschen durch US-Drohnenangriffe insgesamt umgekommen sind, ist unklar. Das Londoner Bureau of Investigative Journalism schätzt die Zahl allein im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet auf bis zu 2863. Das Institut New America Foundation hat ermittelt, dass 80 Prozent der gezielt Getöteten Militante gewesen seien – bleiben 20 Prozent Zivilisten. Zuletzt traf es Anwar al-Awlaki im Jemen. Der 40-Jährige galt als Chef-Propagandist von El Kaida.

Für die USA ist El Kaida eine Kriegspartei

Kriegsrechtler Claus Kreß von der Universität zu Köln bezweifelt wie viele andere Völkerrechtler die rechtliche Legitimation der Drohnenangriffe. Zumindest was die gezielten Tötungen im Jemen betrifft, ein Land, das nicht Schauplatz eines Krieges ist. Die USA sehen das jedoch anders. Das Pentagon rechtfertigt den Einsatz der Drohnen auch außerhalb von Afghanistan und Irak mit der Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht der USA im Krieg gegen den Terrorismus. Für die USA ist die Terrororganisation El Kaida eine Kriegspartei, wie es sonst Staaten in einem konventionellen Konflikt sind. Deshalb werden Mitglieder der El Kaida als feindliche Kombattanten wie feindliche Soldaten bekämpft. Da sich der Terror nicht auf die Grenzen eines Staates beschränke, haben die USA das Recht Terroristen überall dort zu töten, wo sie ihrer habhaft werden kann. Pakistan, Somalia, Jemen – die Welt wird zum Schlachtfeld.

Nicht fehlerfrei: In Jalabad in Afghanistan ist eine Drohne abgestürzt. Foto: imago
Nicht fehlerfrei: In Jalabad in Afghanistan ist eine Drohne abgestürzt. Foto: imago © imago stock&people

„Selbst, wenn man die These eines Selbstverteidigungsrechts gegen eine paramilitärische Terrororganisation im Grundsatz unterstützen wollte, drängt sich nach zehn Jahren die Frage nach einer zeitlichen Begrenzung dieses Rechts auf“, sagt Kreß. Sein Kollege Philipp Stroh, der an der Universität Gießen die militärische Nutzung von Drohnen völkerrechtlich untersucht, kommt zu dem Schluss: „Der Terror ist keine Partei in einem bewaffneten Konflikt. In Pakistan und Jemen herrscht auch kein Konflikt im Sinne des Völkerrechts, demnach ist die Tötung von Personen dort grundsätzlich nicht zu rechtfertigen.“

Wenn man den Terrorismus als weltweiten Gegner begreift, der sich nicht an Ländergrenzen hält, bleibt dennoch die Frage offen: Ist er dauerhaft in der Lage, einen Staat in einen Krieg zu verwickeln, was Drohnenangriffe rechtfertigen würde? Im Jemen wird die Stärke von El Kaida gerade einmal auf einige hundert Kämpfer geschätzt.

Technik der Zukunft

„Selbst wenn man in diesem Punkt zu einer positiven Beurteilung kommen wollte, bleibt zu klären, ob es sich bei der Person, die getötet werden soll, um ein legitimes militärisches Ziel handelt“, sagt Kreß. Anwar al-Awlaki wäre das nur dann, wenn er deutlich mehr getan hätte als Propaganda zu verbreiten. „Um die Tötung zu rechtfertigen, hätte er entweder selbst aktiv am Kampfgeschehen teilnehmen oder aber konkrete Kampfhandlungen steuern oder koordinieren müssen.“

Trotz dieser Bedenken wird die unbemannte Luftfahrt weiter ausgebaut. Für 3,5 Milliarden Dollar kaufen die US-Streitkräfte in diesem Jahr erstmals mehr Drohnen als gewöhnliche Flugzeuge. Pilot der US-Luftwaffe zu sein, könnte für Amerikaner zu einem familienfreundlichen Beruf werden.