Berlin. . Der Bundestag stimmt am Donnerstag über den Euro-Rettungsschirm ab. Eine Mehrheit ist zwar sicher – aber wenn die Kanzlerin eine eigene Mehrheit verfehlt, taumelt Deutschland als größtes Euro-Land danach in eine Regierungskrise, die die Euro-Rettung schwer belasten würde.

Selten wird eine Abstimmung im Bundestag auch international so mit Spannung erwartet wie an diesem Donnerstag: Wenn das Parlament über die Aufstockung des Euro-Rettungsschirms abstimmt, verfolgen die anderen EU-Länder und die Finanzmärkte den Ausgang mit größter Aufmerksamkeit. Eine Mehrheit ist zwar sicher – aber wenn es schlecht läuft für die Kanzlerin, wenn sie eine eigene Mehrheit verfehlt, taumelt Deutschland als größtes Euro-Land danach in eine Regierungskrise, die die Euro-Rettung schwer belasten würde.

Es ist die Woche der Entscheidung für Angela Merkel, und natürlich gibt sie sich vor der Abstimmung „sehr zuversichtlich“. Doch einer der wichtigsten politischen Leitsätze Merkels lautet: „Das ganze Leben ist Erwartungsmanagement.“ So tut sie derzeit alles, um die Erwartungen zu dämpfen – die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit strebt sie offiziell gar nicht mehr an. Schließlich könnten ihr im Parlament bis zu 20 Abgeordnete aus den eigenen Reihen die Gefolgschaft verweigern, weil sie die Risiken für unkalkulierbar halten.

"Das wäre der Beginn des Endes von Merkels Kanzlerschaft"

Die Abstimmung gilt der Aufstockung des Euro-Rettungsschirms, der im schlimmsten Euro-Sprech „Europäische Finanzstabilitätsfazilität (EFSF)“ heißt. Das Kreditvolumen des Fonds soll auf 440 Milliarden Euro erhöht werden. Deutschland müsste dann für Kredite über 211 Milliarden Euro bürgen, bisher liegt die Grenze bei 123 Milliarden Euro.

Weil SPD und Grüne mehrheitlich dafür stimmen werden, ist der Beschluss gesichert. Aber wenn Union und FDP nicht den Zerfall der Koalition riskieren wollen, brauchen sie eine eigene Mehrheit. Andernfalls wäre in Berlin kein verlässliches Euro-Krisenmanagement mehr möglich. „Das wäre symbolisch der Beginn des Endes von Merkels Kanzlerschaft“, meint der Politologe Gerd Langguth.

Nach Lesart der Opposition braucht Merkel eigentlich sogar die absolute Mehrheit der Koalitions-Abgeordneten, die Kanzlermehrheit. Das wären 311 Stimmen. Union und FDP haben 330 Abgeordnete, 19 Nein-Stimmen könnte die Koalition also verkraften.

Zittern bis zuletzt

Vorgeschrieben ist die Kanzlermehrheit für Fälle wie diesen nicht, die Opposition argumentiert aber mit der Symbolkraft. Merkel betont dagegen, es genüge die einfache Mehrheit, denn es sei ein „ganz normales Gesetz“.

Die Option, die Koalition per Vertrauensfrage zur geschlossenen Zustimmung zu zwingen, lehnt Merkel ab. So bleibt es eine Zitterpartie: Bei einer Probeabstimmung versagten 23 Koalitions-Abgeordnete ihre Zustimmung zur Rettungsfonds-Reform. Mit den neuen Mitspracherechten des Bundestags beim Rettungsfonds wird ein Teil der Kritiker wohl besänftigt. Zugleich argumentiert die Koalitionsführung, die Reform sei auch nötig, um die Folgen einer Pleite Griechenlands beherrschen zu können. Das könnte Wankelmütige überzeugen.

Zwar kursieren in Berlin Spekulationen für den Fall, dass Schwarz-Gelb die Mehrheit verfehlt – von einer Unions-Minderheitsregierung ist die Rede oder einer Großen Koalition. Aber nicht nur die Spitzen der Koalition, auch die der Opposition halten es für wahrscheinlich, dass Merkel eine eigene Mehrheit bekommt – und möglicherweise auch die Kanzlermehrheit.