Rom. .
Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was dem Land an Unruhen noch blühen kann, gab es beim landesweiten Generalstreik in Italien. Stillstand im gesamten öffentlichen Nahverkehr – symbolträchtig für den Stillstand in der Politik.
Es fuhren keine Busse, keine Züge, keine Straßenbahnen. Flüge wurden gestrichen, der Fährverkehr eingestellt. Reisende sitzen zum Teil noch Tage fest, weil Ausweichflüge kurzfristig nicht mehr zu buchen waren. Krankenhausmitarbeiter, Post- und Bankangestellte schlossen sich dem Ausstand an.
100 Demonstrationen gab’s im ganzen Land. Die Hauptdemo fand vor dem Kolosseum in Rom statt, die Stimmung der Bürger war aufgeheizt. Die größte Gewerkschaft CGIL mit sechs Millionen Mitgliedern hatte mobil gemacht gegen das Sparpaket der Regierung Berlusconi in Höhe von über 90 Milliarden Euro, das vor einigen Wochen in aller Eile beschlossen worden war und nun schon wieder vom Parlament an allen Ecken und Enden zurecht gestutzt wird.
Keine Reichensteuer
Allerdings nur zugunsten der ohnehin Reichen. „Das werden wir auf keinen Fall hinnehmen“, erklärte die Vorsitzende der größten Arbeitnehmerorganisation, Susanna Camusso. Das Sparpaket, dass immer mehr durchlöchert wird, bezeichnete sie als „unverantwortlich, ungerecht und unnütz“. Es gebe andere Möglichkeiten, das Land wieder nach vorne zu bringen und ihre Gewerkschaft sei fest entschlossen, alle Wege zu gehen, um das Sparpaket zu stoppen.
Dabei geht es der mächtigen Susanna Camusso nicht darum, sich in jeder Weise gegen Sparmaßnahmen zu stemmen. Besonders auf die Barrikaden gebracht hat die Arbeitnehmerschaft die geplante Änderung der Sozialgesetzgebung. So soll zum Beispiel der Kündigungsschutz aufgeweicht werden. Arbeitgeber sollen es leichter haben, ihre Mitarbeiter zu feuern. Und das in einem Land, in dem sich selbst gut Ausgebildete von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangeln und die Jugendarbeitslosigkeit bei fast 30 Prozent liegt.
Bürgermeister machen mobil
Auf der anderen Seite wurde die geplante Sondersteuer für Reiche ab einem Jahresgehalt von 90 000 Euro wieder aus dem Sparpaket gestrichen. Auf die Zusammenlegung von Städten unter 1000 Einwohnern wurde doch verzichtet, weil die Bürgermeister mobil machten. Eigentlich sollte bei den teuren Gemeinderäten gespart werden. Auch die Anhebung des Rentenalters für Akademiker ist schon wieder vom Tisch, und die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die einige Milliarden in die Staatskasse spülen sollte, wurde von Finanzminister Giulio Tremonti selbst gekippt.
Von strukturellen Änderungen, die das Land dringend braucht, ist fast nichts mehr geblieben. Das Parlament selbst soll zwar deutlich verkleinert werden nach der nächsten Wahl 2013, aber verzichten müssen die üppig ausgestatteten Parlamentarier im Grunde auf nichts. Der von der Gewerkschaft angekündigte heiße Herbst – er hat bereits am 6. September 2011 begonnen.