Rom.. Italien kämpft mit seinem Schuldenberg. Allerdings scheint das Land trotz massiver Verschuldung nicht zu Einschnitten bereit. Über das Sparpaket von 45,5 Milliarden Euro, das als letzte Rettung gilt, herrscht Uneinigkeit in der Koalition.

Ganz Europa schaut derzeit entgeistert auf Italien: Das Land steht am Abgrund des Schuldenstrudels, aber es ist - so der Eindruck - nicht zu ernsthaften Einschnitten bereit. Der Streit über den Weg aus der Krise erschüttert nun auch die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Koalition streitet über Sparmaßnahmen

Kaum hatte Rom das auf immensen Druck der Euro-Partner und der Europäischen Zentralbank (EZB) geschnürte Sparpaket im Volumen von 45,5 Milliarden Euro vorgestellt, wurde es auch schon wieder zerpflückt. Die Reichensteuer, die Abschaffung von Gemeinderäten kleiner Städte, das höhere Renteneintrittsalter für Akademiker - alle diese Vorhaben fielen in Windeseile dem Koalitionsgezänk zum Opfer.

Berlusconi schlug eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vor, aber sein Finanzminister Giulio Tremonti sperrte sich dagegen. Zurückgezogen wurden auch Pläne, einige staatliche Feiertage auf Sonntage zu verlegen. Damit wären die Italiener um ihre geliebten langen Wochenenden gebracht worden. Was bleibt ist die vage Zusage, Steuerhinterziehung entschlossener zu bekämpfen. Doch lassen sich damit allein die Finanzlöcher schließen?

Italien planlos in der Krise

Für den Politikwissenschaftler Luca Ricolfi von der Universität Turin offenbart das Krisenmanagement der Regierung eine erschreckende Planlosigkeit. „Wir sehen eine wirklich beeindruckende Demonstration mangelnder Vorbereitung“, sagt Ricolfi. Die Schuldenproblematik Italiens sei seit Jahren bekannt. „Aber diese Leute improvisieren einfach.

Sie treffen sich am Abend und versuchen, Dinge in 24 Stunden zu erledigen, die zwei Jahre Arbeit und Vorbereitung verlangen“, kritisiert Ricolfi, einer der bedeutendsten politischen Kommentatoren des Landes. „Es wird sehr schwer für sie, so weiterzumachen.“Italien ächzt unter einem Schuldenberg von 1,9 Billionen Euro. Das Land steht mit 120 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in der Kreide, die Quote ist eine der höchsten in der Welt. Und die Wirtschaft wächst seit Jahren nur sehr schwach. Immer höhere Zinskosten drohen.

An den Finanzmärkten liegen die Renditeaufschläge für italienische Staatsanleihen mittlerweile bei 5,2 Prozent und nähern sich der Horrorgrenze von sieben Prozent, ab der die Schuldenlast als nicht mehr bewältigbar gilt. Sollte die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone in eine ähnliche Notlage geraten wie Griechenland, werden verheerende Folgen für ganz Europa und die Weltkonjunktur erwartet.

Berlusconi mit neuem Skandal konfrontiert

Angst macht sich inzwischen auch in der italienischen Wirtschaft breit. Die Glaubwürdigkeit des Landes stehe auf dem Spiel, warnte zuletzt der Arbeitgeberverband Confindustria. Er befürchtet, dass die Regierung in Rom die Unterstützung der EZB verlieren könnte, die mit dem Kauf italienischer Staatsanleihen den Druck der Märkte lindert, dafür aber größere Reformbemühungen verlangt.

Sollte sich die Zentralbank zurückziehen, wären „große Probleme“ die Konsequenz, mahnte Confindustria. Auch Gewerkschaften geißelten das Vorgehen der Regierungskoalition als chaotisch.Aus Sicht von Italiens führender Tageszeitung „Corriere della Sera“ wirken die EZB-Interventionen augenscheinlich wie eine Droge, welche die Sinne vernebelt: „Ein süßes Opiat, das uns vorgaukelt, wir seien von unserer Krankheit auf wunderbare Weise geheilt“.

Ob Ministerpräsident Berlusconi dem Land die richtige Medizin verabreichen kann, erscheint zunehmend zweifelhaft. Der 74-Jährige sieht sich mit einer neuen Prostituierten-Affäre konfrontiert. Offenkundig hat auch seine Liebe zur Heimat schwer gelitten: Ermittlungsakten zufolge sprach Berlusconi in einem Telefonat Mitte Juli von einem „Scheißland“, das er in wenigen Monaten verlassen werde.