Kairo. . Neue Spekulationen über eine Flucht Gaddafis: Eine große bewaffnete Kolonne, beladen mit Gold und Bargeld, hat die Grenze zum Nachbarland Niger überquert. Ob der gestürzte Diktator an Bord war, ist weiter unklar.
Die Flucht eines ungewöhnlich großen Konvois von mehr als 200 Fahrzeugen in den Niger hat am Dienstag Spekulationen über Libyens gestürzten Diktator Muammar Gaddafi weiter angeheizt. Wie ein Sprecher des Nationalen Übergangsrat (NTC) in Tripolis bestätigte, passierte am Montagabend eine gut bewaffnete Kolonne aus zivilen und militärischen Fahrzeugen die Grenze zum südlichen Nachbarland.
Dass sich Gaddafi und sein Sohn Saif al-Islam an Bord befinden, konnte die Führung der Aufständischen jedoch nicht bestätigen. Nach ihren Angaben waren die Geländewagen unter anderem mit Bargeld und Gold beladen, die aus dem Tresor der Nationalbank in Sirte stammen sollen. Andere Mitglieder der Familie, Gaddafis Ehefrau Safiya und Tochter Aischa, sowie die Söhne Mohammed und Hannibal, hatten sich bereits letzte Woche nach Algerien abgesetzt.
Unbewohnte Wüste
Der Konvoi wurde von der Grenze in der praktisch unbewohnten Wüstenregion von Einheiten der nigerischen Armee zunächst bis zur Stadt Agadez eskortiert, einer Hochburg der Tuaregs, die Gaddafi in den letzten Jahrzehnten bei ihrem Unabhängigkeitskampf im Niger mit Geld und Waffen unterstützt hatte. Am Dienstag fuhren die libyschen Fahrzeuge dann weiter in Richtung der Hauptstadt Niamey, von wo sie offenbar nach Burkina Faso wollen. Dessen Regierung hatte Gaddafi vor zwei Wochen Asyl angeboten.
Beide Staaten sind ehemalige französische Kolonien, die den Nationalen Übergangsrat (NTC) der Aufständischen erst kürzlich offiziell anerkannt haben. Nigers Präsident galt bis zuletzt als Verbündeter Gaddafis. Burkina Faso hatte in der Vergangenheit immer wieder kräftige Finanzhilfen aus Libyen erhalten.
Gaddafi angeblich nicht an Bord
Nigers Außenminister Mohamed Bazoum bestritt, dass sich Gaddafi in dem Konvoi befinde, berichteten Nachrichtenagenturen. Es seien zwar „einige Persönlichkeiten“ aus Libyen eingetroffen, darunter aber weder Gaddafi noch einer seiner Söhne. Ähnlich äußerte sich auch das Büro von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.
Die Nato erklärte, es sei nicht die Aufgabe des Bündnisses, „frühere Regimeführer, Söldner oder Militärkommandeure auf ihrer Flucht zu verfolgen“. Ob die Kampfjets den Konvoi tief im Süden Libyens geortet haben oder entkommen ließen, dazu sagte der Sprecher nichts. Militärkreise in Niger allerdings spekulierten, Gaddafi könnte aus Furcht vor Luftangriffen zunächst in einem unauffälligen Auto über die Grenze gekommen sein und planen, erst kurz vor Burkina Faso zu dem Konvoi zu stoßen.
Allerbeste Stimmung
Gaddafis Sprecher Moussa Ibrahim hingegen sagte dem syrischen Fernsehsender Arrai, der gestürzte Diktator befinde sich nach wie vor in Libyen, „an einem Ort, wo ihn dieses Gesindel nicht findet“. Der 69-Jährige erfreue sich guter Gesundheit, sei „in allerbester Stimmung“ und plane, Libyen zurück zu erobern.
Bei den Verhandlungen um die Gaddafi-Hochburg Bani Walid gab es auch am Dienstag keine nennenswerten Fortschritte, weil ein Teil der örtlichen Stammesführer nicht zu einer kampflosen Kapitulation bereit ist. Bani Walid, 150 Kilometer südöstlich von Tripolis, gehört zusammen mit den südlichen Wüstenoasen Al-Jufra und Sabha sowie Gaddafis Geburtsstadt Sirte an der Küste zu den letzten vier libyschen Orten, die nach dem Fall von Tripolis dem gestürzten Despoten noch die Treue halten.
Gespannte Ruhe
Nach Angaben der Aufständischen halten sich die beiden Gaddafi-Söhne Saadi und Mutassim in Bani Walid auf und verhandeln über ihr persönliches Schicksal. Mit ihnen in der Stadt verschanzt hat sich ein kleines, gut bewaffnetes Kontingent von Elitesoldaten. Die Rebellen haben Bani Walid seit Tagen komplett abgeriegelt und warten auf das Ergebnis der Verhandlungen.