Bonn. . Rückschlag für den Standort Bonn in der Debatte über die Zukunft des Bundesverteidigungsministeriums: Minister Thomas de Maizière hat in einem Interview angekündigt, „so viele Mitarbeiter wie möglich“ nach Berlin zu versetzen.
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) will sein Ministerium größtenteils nach Berlin verlagern. Er wolle „so viele Mitarbeiter wie möglich nach Berlin holen“, sagte de Maizière dem Bonner „Generalanzeiger“ vom Samstag. Die Entscheidung solle wie auch die anderen Beschlüsse zu den Bundeswehr-Standorten bis Ende Oktober fallen.
Derzeit seien in Bonn noch insgesamt 6000 Dienststellen angesiedelt, im gesamten Raum Köln/Bonn fast 16.000, sagte de Maizière. „Es ist für mich ganz und gar undenkbar, dass ich Standorte in strukturschwachen Gebieten schließe und gleichzeitig den Köln/Bonner Raum privilegiere.“
Verlagerung „im Konsens mit der Region“
Der Minister hob hervor, er wolle die Verlagerung „im Konsens mit der Region machen“. „Wenn sich die Bonner auf die Buchstaben des Bonn-Berlin-Gesetzes berufen, schaden sie ihren eigenen Interessen. „Derzeit seien noch 82 Prozent der Dienstposten seines Hauses in Bonn, es gehe ihm aber darum, „dieses starre Fixieren auf Zahlen“ aufzubrechen. Bonn sei im Zuge des Regierungsumzugs alles andere als schlecht gefahren, sagte de Maizière mit Blick auf den Zuzug anderer Behörden nach der Verlagerung der Hauptstadt nach Berlin. Die Debatte dürfe nicht „angsterfüllt auf die Zahl der Ministeriumsmitarbeiter“ reduziert werden.
Der Minister hatte am 18. Mai die Eckpunkte zur Neuausrichtung der Bundeswehr vorgestellt. Das Konzept sieht einen Umfang von 170. 000 Berufs- und Zeitsoldaten plus mindestens 5.000 Freiwillige und sogar bis zu 10.000 weiteren Freiwillig-Wehrdienstleistenden vor. Nachdem sein Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wegen der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit am 1. März von der Spitze der Bundeswehr zurückgetreten war, hat de Maizière die neue Struktur für die Bundeswehr entworfen. Die einzelnen Bereiche der neuen Bundeswehr wurden in Projektgruppen erarbeitet. Ihre Ergebnisse liegen zur Entscheidung auf dem Schreibtisch des Ministers.
Truppe beurteilt de Maizière „skeptisch“
Die Truppe beurteilt bisher das Vorgehen von de Maizière „skeptisch“. Ein General, der namentlich nicht genannt werden wollte, fasste die vorherrschende Meinung der Offiziere und Mannschaften so zusammen: „Wir fühlen uns vom Minister nicht mitgenommen. Auf Fragen bekommen wir keine Antworten.“ Eine ganze Anzahl seiner Kameraden würde bei einer Abfindung „sofort durch die Kasernentore abmarschieren“, unterstrich der hohe Offizier. Mit der Hoffnung auf genügend Freiwillige liege der Minister „daneben“. Der Bundeswehr gingen nach dem Verzicht auf die Wehrpflicht die Soldaten aus. Die Aussetzung müsse „schnellstens revidiert werden“. Mit dem von de Maizière propagierten Ehrendienst für das Land werde es in der heutigen Zeit „wohl nichts“, betonte der General.
Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold meinte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd, der Unmut über de Maizière in der Truppe „bis ganz nach unten wird von Woche zu Woche größer“. Der Minister werde keinen „großen Wurf“ für die Bundeswehr fertigbringen. Die Bundeswehr werde in Zukunft über weniger Fähigkeiten als bisher verfügen. Noch nie seien Soldaten und Zivilangestellte über die Entwicklung von Reformbemühungen für die Bundeswehr so schlecht informiert worden.
Auch Lob für den Minister
Der Wehrexperte der Grünen, Omid Nouripour, sagte dapd: „De Maizière nimmt beinahe stündlich den nötigen Druck aus der Reform. Er weicht die notwendigen Sparanstrengungen bis zur Unkenntlichkeit auf und lässt die Reform in seinem Haus dadurch Schritt für Schritt versickern.“ Der Minister müsse jetzt vor allem ehrlich sagen, ob er überhaupt noch eine Reform wolle, betonte Nouripour. Bisher gebe es kaum mehr als Ankündigungen. Die Verunsicherung bei der Truppe sei deshalb groß. Die Menschen bei der Bundeswehr müssten endlich das Gefühl bekommen, mitgenommen zu werden, sagte Nouripour.
Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff äußerte gegenüber dapd, es gehe jetzt um eine solide und nachhaltige Planung, die sich an den sicherheitspolitischen Notwendigkeiten, an der demografischen Entwicklung und an den finanziellen Rahmenbedingungen ausrichtet. Es gehe vor allem auch darum, die Entscheidungsebenen zu straffen, zu kürzen und ihnen mehr und klarere Verantwortung zuzuordnen. Die Soldatinnen und Soldaten brauchen nach Meinung von Hoff besonders Klarheit und die nötigen Informationen, damit sie den aktuellen Sachstand der Reformbemühungen kennen und nachvollziehen können.
Die Reformbemühungen de Maizières finden die „volle Unterstützung“ des verteidigungspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ernst-Reinhard Beck (CDU). „Die Reform präsentiert sich stimmig, zielgerichtet und aus einem Guss“, sagte Beck auf dapd-Anfrage. Sie schaffe eine an den Herausforderungen und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands ausgerichtete Bundeswehr. Dazu würden Strukturen verschlankt und effizienter gestaltet und die Bundeswehr noch enger als bisher auf die Erfordernisse des Einsatzes zugeschnitten. De Maizière habe bereits viel getan, um die Neuausrichtung der Bundeswehr zu begründen, unterstrich Beck. (afp/dapd)