Berlin. .

Kuriosum im Berliner Wahlkampf: Erstmals schicken im multikulturellen Stadtteil Kreuzberg CDU, SPD, Linke, Grüne und die BIG jeweils einen türkeistämmigen Kandidaten ins Rennen. Anbiederei – oder die ganz normale Kreuzberger Wirklichkeit?

Der Grüne trägt Zopf, der CDU-Mann Schlips, der SPD-Mann weder noch. Und die Linken haben eine Frau aufgestellt. Soweit alles typisch, im Kreuzberger Wahlkampf 2011. Doch erstmals haben alle großen Parteien türkeistämmige Kandidaten aufgestellt. Anbiederei – oder die ganz normale Kreuzberger Wirklichkeit?

30 000 Wahlberechtigte leben im Kreuzberger Wahlkreis III. Gut 5000 kommen aus Migrantenfamilien. Vor fünf Jahren holte der Grüne Özcan Mutlu hier das Direktmandat. Mutlu ist heute Bildungsexperte seiner Fraktion und hat für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September einen Listenplatz. Sein Nachfolger im Wahlkreis ist der 46-jährige Turgut Altug. Normalerweise wäre die Sache sicher für den promovierten Agrarwissenschaftler im links-liberalen Kreuzberg. Doch diesmal ist die Lage anders. Auch SPD, CDU und Linke schicken türkischstämmige Kandidaten ins Rennen.

Ertan Taskiran (41) von der CDU trägt zum dunklen Anzug eine gepflegte Glatze. Er ist Helmut Kohl-Fan und will ein sauberes, sicheres, drogenfreies Kreuzberg. SPD-Mann Muharrem Aras (39), Sohn ei­nes Gastarbeiters mit Gewerkschaftstradition, hat mit Ba­fög-Hilfe Jura studiert – Chancengleichheit ist sein Lebensthema. Linken-Kandidatin Figen Izgin (46) kam mit 14 nach Deutschland, sprach kein Wort Deutsch. Die Sozialpädagogin will mit Bildungsthemen punkten. Klingt alles eher nach Parteisoldaten als nach Parallelgesellschaftern.

Übrigens: Wem keiner des Quartetts gefällt, kann auch Ismet Misirlioglu wählen. Er tritt für die von Muslimen gegründete BIG-Partei an.