London. . Nach den Unruhen in der vergangenen Woche in englischen Großstädten machen die Behörden ernst mit der von Premier David Cameron angekündigten Null-Toleranz-Politik gegenüber den Randalierern. Wer geplündert hat, hat keinen Anspruch mehr auf eine Sozialwohnung und muss ausziehen.

Die erste englische Familie mit Randalierer-Kindern hat die Kündigung für ihre Sozialwohnung erhalten: Die 43-jährige Maite de la Calva, Alleinerziehende mit Teilzeitjob, muss ihr Drei-Zimmer-Apartment in Südlondon räumen, nachdem Sohn Daniel (18) im Schnellverfahren wegen Diebstahl und Gewalttätigkeit verurteilt worden ist. Er war am Montag erwischt worden, als er mit hundert anderen Jugendlichen einen Elektronikladen ausräumte. Andere Stadtverwaltungen wollen ähnlich verfahren. Bei den Unruhen waren vergangene Woche fünf Menschen ums Leben gekommen.

Donnerstag hatte Premier David Cameron den Plünderern noch null Toleranz versprochen, nur einen Tag später druckte die Bezirksverwaltung Wandsworth den ersten Räumungsbefehl aus: „Wir wollen die allerdeutlichste Botschaft senden“, heißt es in dem Brief des konservativen Stadtrates Ravi Govindia, „unsere Verwaltung geht bis zum Äußersten, um sicherzustellen, dass Plünderer einen angemessenen Preis für ihre Taten zahlen.“ Die Beamten arbeiten mit den Gerichten zusammen, um etwaige Sozialhilfeempfänger unter den Randalierern aufzudecken. Der 18-jährige Daniel hat vor Gericht ausgesagt, dass er unschuldig sei. Seine Mutter betont, er sei „einfach zur falschen Zeit am falschen Ort“ gewesen. Sie will nun juristisch gegen den Räumungsbefehl vorgehen: „Mein Name steht auf dem Mietvertrag, nicht der meines Sohnes. Als Mutter bin ich nicht verantwortlich für das, was Daniel tut oder lässt.“

Unterstützung aus der Bevölkerung

Diese Argumentation stößt in England allerdings auf sehr wenig Sympathie. Vielmehr bekommt Cameron Rückenwind für seinen harten Kurs. Eine Online-Petition, nach der Randalierern die ohnehin magere Sozialhilfe komplett gestrichen werden soll, erreichte innerhalb von 48 Stunden über 100 000 Unterstützer. Die sonst eher mittelprächtig besuchte Webseite Directgov der Regierung war wegen der hohen Resonanz stundenlang nicht erreichbar. Zum Vergleich: Der bisherige Favoritenvorschlag, die Spritpreise im Königreich gesetzlich zu deckeln, erreichte nur ein Viertel der Zustimmung.

„Wir waren zu lange zu sanft zu den Leuten, die der Gemeinschaft schaden“, bekräftigte Premier Cameron am Wochenende erneut seine Vorgehensweise, „wer plündert, verspielt sein Recht auf eine steuerlich subventionierte Sozialwohnung. Krawallmacher müssen sich ab sofort selbst eine Wohnung zu regulären Marktpreisen besorgen.“ Unter 1800 Euro Warmmiete pro Monat wird Maite de la Calva also kaum Ersatz für ihre Unterkunft in Wandsworth finden. Andere Städte wollen ähnlich vorgehen. Das Sozialamt von Manchester hat etwa angekündigt, einen Räumungsbefehl an die Eltern eines 12-Jährigen zuzustellen, der im Supermarkt Wein für zehn Euro eingesteckt hatte.

Soziale Zeitbombe tickt weiter

Für viele Briten ist Ordnung und Gerechtigkeit mit diesen drakonischen Maßnahmen erst einmal wieder hergestellt; die soziale Zeitbombe in vielen Problemvierteln tickt allerdings weiter. Gerade der Bezirk Wandsworth, der jetzt mit seinen Räumungen landesweit Schlagzeilen schreibt, hat keine Skrupel, sein Budgetdefizit von 65 Millionen Euro auf dem Rücken der Heranwachsenden auszubessern. So beschloss die Verwaltung im Frühjahr, allen Familien 2,80 Euro pro Spielplatzbesuch zu berechnen. „Das ist nicht exzessiv teuer“, rechtfertigte sich der Stadtrat für diese Gebühr, „eine Kinderkinokarte kostet das Doppelte.“

Mehr als zwei Drittel der 1600 festgenommenen Randalierer sind schon verurteilt worden. Gefängnisstrafen wurden dabei sogar an einen Mann verhängt, der bei Lidl Mineralwasser im Wert von vier Euro geklaut sowie an eine Mutter aus Manchester, die gestohlene Shorts angenommen hatte.