Essen. . Wenn Angela Merkel 2013 erneut kandidiere, sei „klar, dass die SPD den nächsten Kanzler stellt“, sagt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel im Sommerinterview. Um die Neuverschuldung zu senken, will er den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöhen.

Um die Neuverschuldung in Deutschland zu reduzieren, plädiert der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel für einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent. „Das Geld“, sagte der 51-Jährige im Sommerinterview mit dem ZDF, „müssen Sie erst einmal nutzen, um die Neuverschuldung auf Null zu bringen.“ Danach könne man über andere Dinge sprechen. Was zum Beispiel? Deutschland brauche zehn Milliarden Euro mehr für Bildung, so der SPD-Chef. Und der Bund dürfe die Städte und Gemeinden „nicht mehr so verkommen lassen, wie es momentan der Fall ist.“

Die deutsche Finanzpolitik und wie die SPD sie besser machen könnte als CDU und FDP, war aber nur kurzes Thema im Interview. Thomas Walde hatte sich Einiges vorgenommen. Eurorettung und Finanzkrise, Thilo Sarrazin und das Attentat von Norwegen, die Lage der SPD und die Frage nach dem nächsten Kanzlerkandidaten – der stellvertretende Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios galoppierte im 20-minütigen Gespräch einmal quer durch die Themenpalette des Sommers. Viel Raum für Überraschungen, für Provokantes oder Originelles ließ er seinem Gegenüber dabei nicht.

„Kitt“ fehlt in der Gesellschaft

Noch ehe Gabriel erläutern konnte, wie er mehr Zuwendungen für Städte und Gemeinden realisieren würde, wechselte Walde mit einem Einspielfilmchen das Thema – und kam auf Thilo Sarrazin zu sprechen, jenen Mann, den „Bild“ Gabriels „Lieblingsgegner“ genannt hat. Der SPD-Chef hatte nach den Attentaten von Norwegen in einem Interview gesagt, dass es in einer Gesellschaft, in der „Anti-Islamismus und die Abgrenzung von anderen wieder hoffähig wird, in der das Bürgertum Herrn Sarrazin applaudiert“, Verrückte am Rande gebe, die sich dadurch legitimiert fühlten. „Warum haben Sie da Sarrazin erwähnt?“, fragte Thomas Walde. „Es geht nicht um Thilo Sarrazin“, konterte Sigmar Gabriel und referierte über den „Kitt“, der seiner Meinung nach in der Gesellschaft fehle. Das gesellschaftliche Klima sei „nicht unerheblich geprägt von Anti-Islamismus, Skepsis, bis hin zu Fremdenfeindlichkeit“, sagte der 51-Jährige. Und: „Ich finde, man muss über solche Dinge offen reden. Das verschwiemelte Drumherumreden hilft doch nicht weiter.“

Kanzlerkandidat noch unklar

Noch ein Themenwechsel, noch ein Einspielfilmchen. Die Troika Steinmeier, Steinbrück, Gabriel wird mit den Dreierbündnissen der 70er (Wehner, Schmidt, Brandt) und 90er (Lafontaine, Scharping, Schröder) verglichen. Versuchen kann man’s ja mal: Verrät der SPD-Chef, wer für die Sozialdemokraten in zwei Jahren als Kanzlerkandidat antritt? „Der, der die besten Chancen hat“, sagte Gabriel. Und, ja: Dabei werde man sicher auch auf die Umfragewerte schauen. Aber festlegen werde man sich frühestens im kommenden Sommer.

„Dann nehmen Sie es also für den Moment hin, dass die Union Ihnen etwas voraushat?“, fragte Walde noch – und spielte darauf an, dass bei der CDU mit Angela Merkel die Kanzlerkandidatin längst feststeht. Eine Steilvorlage für den SPD-Chef. Dass „Frau Merkel weitermachen will“, halte er „für eine Drohung“. Zum Abschluss ging Gabriel in die Offensive. „Deswegen wird es auch klar sein, dass die Sozialdemokraten den nächsten Kanzler stellen.“ Wer das dann sei, sei nicht so wichtig. In zwei Jahren wird er wissen, ob er Recht behalten hat.

Sigmar Gabriel

Seit dem 13. November 2009 ist Sigmar Gabriel Chef der SPD.
Seit dem 13. November 2009 ist Sigmar Gabriel Chef der SPD. © ddp
Gabriel ist 1959 in Goslar geboren und diente nach seinem Abitur 1979 bei der Bundeswehr. Anschließend studierte er Politik, Soziologie sowie Germanistik für das Lehramt an Gymnasien.
Gabriel ist 1959 in Goslar geboren und diente nach seinem Abitur 1979 bei der Bundeswehr. Anschließend studierte er Politik, Soziologie sowie Germanistik für das Lehramt an Gymnasien. © AFP
Nach seinem Referendariat arbeitete er noch ein Jahr als Lehrer in der beruflichen Erwachsenenbildung und zog 1990 als Abgeordneter in den niedersächsischen Landtag ein.
Nach seinem Referendariat arbeitete er noch ein Jahr als Lehrer in der beruflichen Erwachsenenbildung und zog 1990 als Abgeordneter in den niedersächsischen Landtag ein. © REUTERS
Neben seinem Landtagsmandat, das er bis 2005 innehatte, saß Gabriel von 1991 bis 1999 auch noch im Stadtrat von Goslar. Schon dort beschäftigte er sich mit dem Thema
Neben seinem Landtagsmandat, das er bis 2005 innehatte, saß Gabriel von 1991 bis 1999 auch noch im Stadtrat von Goslar. Schon dort beschäftigte er sich mit dem Thema "Umwelt", später war er dafür der zuständige Bundesminister. © WAZ FotoPool
Im März 1998 legte Gabriel dann den Grundstein für seine politische Karriere. Er wurde Vorsitzender der SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag, und knapp zwei Jahre später niedersächsischer Ministerpräsident.
Im März 1998 legte Gabriel dann den Grundstein für seine politische Karriere. Er wurde Vorsitzender der SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag, und knapp zwei Jahre später niedersächsischer Ministerpräsident. © ddp
Bei der Landtagswahl am 2. Februar 2003 allerdings verlor die SPD unter Gabriel die Macht. Neuer Ministerpräsident wurde Christian Wulff (CDU).
Bei der Landtagswahl am 2. Februar 2003 allerdings verlor die SPD unter Gabriel die Macht. Neuer Ministerpräsident wurde Christian Wulff (CDU). © Remo Bodo Tietz, NRZ
Trotzdem blieb Sigmar Gabriel in Niedersachsen und übernahm erneut den Fraktionsvorsitz im Landtag. Im Oktober 2005 zog es ihn nach Berlin und er übernahm das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Trotzdem blieb Sigmar Gabriel in Niedersachsen und übernahm erneut den Fraktionsvorsitz im Landtag. Im Oktober 2005 zog es ihn nach Berlin und er übernahm das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. © REUTERS
Als Umweltminister setzte sich Gabriel - wie sein Vorgänger Jürgen Trittin (Grüne) - vehement für den Atomausstieg ein.
Als Umweltminister setzte sich Gabriel - wie sein Vorgänger Jürgen Trittin (Grüne) - vehement für den Atomausstieg ein. © ddp
Hier zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Expedition.
Hier zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Expedition. © AFP
Gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier setzte sich Gabriel außerdem für einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung ein.
Gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier setzte sich Gabriel außerdem für einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung ein. © WAZ FotoPool
Hier steht er im Atommüllendlager Morsleben in einem Förderkorb.
Hier steht er im Atommüllendlager Morsleben in einem Förderkorb. © ddp
Gabriel warb kontinuierlich für den Ausbau erneuerbarer Energien und auch für das Elektroauto.
Gabriel warb kontinuierlich für den Ausbau erneuerbarer Energien und auch für das Elektroauto. "Elektrofahrzeuge, angetrieben durch Strom aus erneuerbaren Energien, sind eine Schlüsseltechnologie für den Verkehr der Zukunft", sagte der Minister 2009. © REUTERS
Nach der Bundestagswahl 2009 verlor Gabriel sein Ministeramt. Frank-Walter Steinmeier wurde neuer Fraktionschef im Bundestag, Sigmar Gabriel übernahm den Parteivorsitz.
Nach der Bundestagswahl 2009 verlor Gabriel sein Ministeramt. Frank-Walter Steinmeier wurde neuer Fraktionschef im Bundestag, Sigmar Gabriel übernahm den Parteivorsitz. © WAZ FotoPool
Auf dem Bundesparteitag in Dresden erhielt er bei seiner Wahl über 94 Prozent der Stimmen.
Auf dem Bundesparteitag in Dresden erhielt er bei seiner Wahl über 94 Prozent der Stimmen. © AP
Glückwünsche gab`s von seiner ehemaligen Kabinettskollegin Ulla Schmidt, ...
Glückwünsche gab`s von seiner ehemaligen Kabinettskollegin Ulla Schmidt, ... © AP
... von SPD-Generalsekretärin Andreas Nahles ...
... von SPD-Generalsekretärin Andreas Nahles ... © REUTERS
... sowie von einem seiner Vorgänger im Amt, Kurt Beck.
... sowie von einem seiner Vorgänger im Amt, Kurt Beck. © WAZ FotoPool
Gabriels erster Weg nach seiner Rede auf dem Parteitag führte ihn zu Greta Wehner, der Witwe des SPD-Urgesteins Herbert Wehner.
Gabriels erster Weg nach seiner Rede auf dem Parteitag führte ihn zu Greta Wehner, der Witwe des SPD-Urgesteins Herbert Wehner. © WAZ FotoPool
Bilder aus seinem Leben als Parteichef: Hier steht Gabriel neben Franz Müntefering. Beide nahmen im Februar 2010 am Landesparteitag der NRW-SPD teil. Die Delegierten entschieden über das Wahlprogramm und die Aufstellung der Landesliste.
Bilder aus seinem Leben als Parteichef: Hier steht Gabriel neben Franz Müntefering. Beide nahmen im Februar 2010 am Landesparteitag der NRW-SPD teil. Die Delegierten entschieden über das Wahlprogramm und die Aufstellung der Landesliste. © ddp
Sigmar Gabriel und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.
Sigmar Gabriel und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. © REUTERS
In ihrem Wahlkampf war er oft im größten deutschen Bundesland ...
In ihrem Wahlkampf war er oft im größten deutschen Bundesland ... © ddp
... so zum Beispiel bei seiner Reise durch mehrere Moscheen im Ruhrgebiet ...
... so zum Beispiel bei seiner Reise durch mehrere Moscheen im Ruhrgebiet ... © WAZ FotoPool
... beim
... beim "Rock in den Ruinen" in Dortmund-Hohensyburg oder ... © Linz/PiLi
... beim Straßenwahlkampf in der Dortmunder Fußgängerzone.
... beim Straßenwahlkampf in der Dortmunder Fußgängerzone. © WAZ FotoPool
Beim Düsseldorfer Rosenmontagszug zeigte ein Motivwagen einen SPD-Bundesvorsitzenden, der auf einem skelettierten SPD-Gaul zur Attacke reitet.
Beim Düsseldorfer Rosenmontagszug zeigte ein Motivwagen einen SPD-Bundesvorsitzenden, der auf einem skelettierten SPD-Gaul zur Attacke reitet. © ddp
Aktuell bemüht sich Sigmar Gabriel, die SPD als Volkspartei zu erhalten und sie im Hinblick auf die nächsten Wahlen wieder mehrheitsfähig zu machen.
Aktuell bemüht sich Sigmar Gabriel, die SPD als Volkspartei zu erhalten und sie im Hinblick auf die nächsten Wahlen wieder mehrheitsfähig zu machen. © ddp
1/26