Athen. . Am Donnerstag wollen Europas Staats- und Regierungschefs eine Lösung für das von der Pleite bedrohte Griechenland gefunden haben. Auch eine Umschuldung ist mittlerweile möglich. Einigen sich die Politiker nicht, könnte der Euro in Gefahr geraten.
Am Montag beginnt eine Schicksalswoche im Griechendrama – wieder einmal: für Donnerstag hat EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy die Staats- und Regierungschefs zu einem Krisengipfel nach Brüssel eingeladen. Nicht nur die Griechen, um deren Zukunft es in erster Linie geht, blicken gebannt nach Brüssel. Längst steht viel mehr auf dem Spiel als die Zahlungsfähigkeit Griechenlands. Die Schuldenkrise an der Akropolis bedrohe mittlerweile „den Euro als Ganzes“, warnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
Die Staats- und Regierungschefs stehen unter enormem Druck: finden sie am Donnerstag keine nachhaltige Lösung für Griechenland, könnte sich schnell ein Flächenbrand in den Schuldenstaaten entwickeln.
Auch der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou drängt zur Eile: „Es ist an der Zeit, dass Europa aufwacht“, sagte Papandreou am Sonntag in einem Interview mit der Zeitung „Kathimerini“. Griechenland habe in den vergangenen Monaten „schwierige, aber notwendige“ Sparbeschlüsse umgesetzt und damit „beispiellose Ergebnisse erzielt“; jetzt sei es an Europa, zu mutigen Entscheidungen zu kommen.
Griechenland braucht nach dem Hilfspaket von 110 Milliarden Euro, das EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) im Mai 2010 geschnürt hatten, weitere Rettungskredite. Denn Athen kann sich wegen der extrem hohen Risikozuschläge auf absehbare Zeit nicht am Kapitalmarkt refinanzieren. Im Gespräch sind neue Hilfskredite von bis zu 120 Milliarden Euro, mit denen das Land bis Mitte 2014 über Wasser gehalten werden könnte.
Fachleute wollen Umschuldung
Streit gibt es allerdings um die vor allem von der Bundesregierung geforderte Beteiligung privater Gläubiger, die neben den Steuerzahlern einen Teil der Last schultern sollen. Das könnte jedoch von den Ratingagenturen als „Kreditereignis“ gewertet werden und zu einer Herabstufung Griechenlands in die Kategorie „selektiver Zahlungsausfall“ führen. Die Europäische Zentralbank fürchtet nicht nur, dass dann die Krise von der Euro-Peripherie auf Kernstaaten wie Spanien und Italien übergreifen könnte. Die EZB könnte bei einem Zahlungsausfall auch griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren, was den völligen Zusammenbruch des griechischen Bankensystems zur Folge hätte.
Mit einem weiteren milliardenschweren Hilfspaket allein ist Griechenland wahrscheinlich nicht zu retten. Die Schuldenlast droht das Land zu erdrücken. Bereits jetzt muss Griechenland rund sieben Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Zinsen aufwenden. Nach Berechnungen des IWF könnten Griechenlands Staatsschulden, die Ende 2010 bei 143 Prozent des BIP lagen, im nächsten Jahr auf 172 Prozent steigen. Fachleute plädieren deshalb für eine Umschuldung.
Papandreou plädiert für Eurobonds
Im Gespräch sind mehrere Varianten, von einer „sanften“ Lösung, wie einem Angebot an private Gläubiger, ihre griechischen Anleihen gegen neue Papiere mit längeren Laufzeiten zu tauschen, bis hin zu einem radikalen Schuldenschnitt. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Griechenland mit Krediten des europäischen Rettungsschirms eigene Anleihen zu niedrigen Marktpreisen zurückkauft. Berechnungen im Bundesfinanzministerium hätten ergeben, dass Griechenland damit seine Schuldenlast um rund 20 Milliarden Euro reduzieren könne, berichtete der „Spiegel“.
Ob die Experten der EU-Finanzministerien bis zum Donnerstag eine beschlussreife Lösung für den Gipfel ausarbeiten können, ist noch offen. Aber eines beginnt sich herauszukristallisieren: eine Umschuldung Griechenlands ist kein Tabu mehr, trotz der Warnungen der Ratingagenturen und der EZB. Auch in Athen hat ein Umdenken eingesetzt: Nachdem Papandreou bisher stets versicherte, Griechenland sei in der Lage, seine Schulden pünktlich und in vollem Umfang zurückzuzahlen, erklärte er jetzt der Zeitung „Kathimerini“, erstmals stehe nun in Europa zur Diskussion, die griechische Schuldenlast zu reduzieren. „Das ist eine sehr positive Entwicklung“, sagte Papandreou.
Der griechische Regierungschef plädierte erneut für Eurobonds, also gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder, mit denen Problemstaaten wie Griechenland zu günstigen Zinsen refinanziert werden könnten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnte jedoch davor: „Nichts würde die Anreize für eine solide Haushaltspolitik rascher und dauerhafter zerstören als eine gemeinsame Haftung für Staatsschulden“, sagte Weidmann der „Bild am Sonntag“.
Lob von Clinton
US-Außenministerin Hillary Clinton lobte in Athen den Sparkurs der sozialistischen Regierung. Das kürzlich vom griechischen Parlament verabschiedete mittelfristige Konsolidierungsprogramm beinhalte „entscheidende erste Schritte“, sagte Clinton am Sonntag in der griechischen Hauptstadt. „Wir wissen, dass diese Entscheidungen nicht leicht waren, aber sie zeigen politische Führung“, meinte Clinton. Die beschlossen Maßnahmen würden Griechenland wettbewerbsfähiger machen, das Land auf solide finanzielle Fundamente stellen sowie helfen, Investitionen anzuziehen und Arbeitsplätze zu schaffen, die das griechische Volk dringend brauche. Griechenland habe bei seinen Konsolidierungsbemühungen die volle Unterstützung der USA, unterstrich die US-Außenministerin, die in Athen unter anderem mit Ministerpräsident Papandreou, Außenminister Stavros Lambrinidis und Finanzminister Evangelos Venizelos zusammentraf. Clinton ermutigte die Griechen, „den eingeschlagenen Weg mit Engagement und Entschlossenheit weiterzugehen“.