Brüssel. . In Europa ist die Not Griechenland zu retten größer als die Angst vor einer Teil-Pleite des verschuldeten Mittelmeerstaats. Die europäischen Finanzminister ringen darum, was in ein zweites Rettungspaket für Griechenland gepackt werden muss.

Ausweg verzweifelt gesucht: Europa ist auch rund ein Jahr nach Ausbruch der Griechenland-Krise ratlos, wie es die Turbulenzen eindämmen kann, die mitterweile weitere Euro-Staaten erfasst haben. Die europäischen Finanzminister ringen darum, was in ein zweites Rettungspaket für Griechenland gepackt werden muss. In ihrer Not brechen sie ein Tabu, um mehr Rettungsoptionen zu haben: Sie würden nun auch eine Teil-Zahlungsunfähigkeit des Sorgenstaats in Kauf nehmen.

Damit wird folgendes Szenario denkbar: Griechenland kauft mit den neuen Notkrediten eigene Schuldverschreibungen. Die haben deutlich an Wert verloren. Der Rückkaufpreis läge aber wohl über dem aktuellen Marktpreis – ein Anreiz für Banken oder Versicherer, sich von diesen Anleihen zu trennen. Mit dem Erwerb eigener Anleihen würde Griechenland zwar seine Schulden senken. Die Frage aber bleibt, ob Ratingagenturen dann die Kreditwürdigkeit des Schuldenstaats noch schlechter als bisher bewerten und ihn als teilweise pleite einstufen.

Wie freiwillig ist freiwillig?

Diese Bewertung droht Griechenland auch bei einem umstrittenen Thema, das vor allem Deutschland am Herzen liegt: der freiwilligen Beteiligung privater Gläubiger wie Banken und Versicherer an einem neuen Rettungspaket. Doch wie freiwillig ist freiwillig, wenn einem Euro-Staat die Pleite droht? Diese Frage stellen sich Ratingagenturen. Sie warnten daher mehrfach, Griechenland als zumindest teilweise zahlungsfähig einzustufen, falls Banken oder Versicherer künftig einen Teil der Risiken tragen müssten.

Der Europäischen Zentralbank (EZB) graut davor, dass Griechenland als partiell zahlungsunfähig gelten könnte. Da die oberste Hüterin des Euro in den vorigen Monaten griechische Schuldverschreibungen kaufte, wurde sie zu einer Hauptgläubigerin Griechenlands.

Riskante Schuldverschreibungen

Die EZB treibt aber nicht die Angst vor möglichen Verlusten um. Sie hat sich nach eigenen Angaben gegen solche Risiken abgesichert. Die Währungshüter fürchten vielmehr, dass Griechenlands Bankenbranche zusammenbricht und sich die Turbulenzen im Euro-Währungsraum verstärken.

Griechische Banken borgen sich bei der EZB Geld. Als Sicherheit hinterlegen sie griechische Staatsanleihen. Gilt Griechenland als teilweise zahlungsunfähig, dürfte die EZB diese Anleihen nicht mehr annehmen – und den Banken nichts mehr leihen.

Auch Versicherer aus Deutschland und dem restlichen Europa müssen Ratings im Blick haben. Sie stecken das Geld ihrer Versicherten unter anderem in Staatsanleihen, um es zu mehren. Für diese Investitionen gibt es aber Regeln. Kundengelder dürfen nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nicht in riskante Anlagen fließen. Schuldverschreibungen eines als teilweise zahlungsunfähig deklarierten Landes wären aber riskant.

Keine Sorgen für deutsche Versicherte

Für Griechenlands Anleihen macht die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin allerdings eine Ausnahme. Schließlich kann der Staat dank europäischer Notkredite bisher alle Schulden zurückzahlen.

Versicherte in Deutschland müssten sich auch aus einem anderen Grund keine Sorgen machen, betont der GDV: „Deutsche Versicherungen sind in Griechenland sehr gering engagiert – deutlich unter 0,3 Prozent ihrer Kapitalanlagen stecken in Griechenland.“ Zudem zähle bei der Bonitätsbewertung eines Landes nicht das schlechteste Rating. Ausschlaggebend für Anlage-Entscheidungen von Versicherern sei das zweitbeste Rating. Weltweit dominieren drei Ratingagenturen: Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch.

Standard & Poor’s gab jüngst einen Hinweis, den auch die europäischen Finanzminister zur Kenntnis genommen haben dürften. Falls die Ratingexperten Griechenland als teilweise zahlungsunfähig einstuften, müsse das nicht von langer Dauer sein.