London. . Im Zuge der Ermittlungen zum Abhörskandal in Großbritannien ist der ehemalige Chefredakteur der Boulevardzeitung „News of the World“ und Ex-Sprecher von Premier Cameron am Freitag festgenommen worden. Nach Angaben von Scotland Yard werden dem 43-jährigen Andy Coulson Korruption und das Abhören von Telefonen vorgeworfen.
Der britische Premierminister David Cameron gerät im Abhörskandal um das Boulevardblatt „News of the World“ immer stärker unter Druck. Am Freitag wurde sein früherer Kommunikationschef Andy Coulson festgenommen. Das bestätigte die Polizei in London. Gegen Coulson lägen Vorwürfe vor, bei denen es um das Abhören von Telefonen und die Bestechung von Polizeibeamten gehe, hieß es. Coulson war 2003 bis 2007 Chefredakteur des Boulevardblatts.
Außerdem wurde der ehemalige Chefkorrespondent für das Königshaus, Clive Goodman, verhaftet. Goodman verbüßte schon 2007 eine Haftstrafe, weil er einen Lauschangriff auf Berater des Königshauses verübt hatte. Laut einem Bericht der britischen Nachrichtenagentur Press Association wurde er jetzt unter dem Verdacht der Bestechung festgenommen. Sein Haus südlich von London wurde durchsucht.
Wegen des Abhörskandals hatte der Medienkonzern von Rupert Murdoch, zu dem die Zeitung gehört, am Donnerstag die Schließung von „News of the World“ bekannt gegeben. Nach 168 Jahren soll das Blatt am Sonntag zum letzten Mal erscheinen. Journalisten der Zeitung sollen über Jahre die Telefone von Prominenten, aber auch Angehörigen getöteter Soldaten und einem ermordeten jungen Mädchen abgehört haben.
Coulson war im Januar wegen der Vorwürfe im Zusammenhang mit seiner Zeit bei der „News of the World“ als Sprecher von Premierminister David Cameron zurückgetreten. 2007 hatte er wegen der Affäre bei der Zeitung seinen Chefposten niedergelegt.
Immer wieder Enthüllungen um Abhöraktionen
In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Enthüllungen um die Abhöraktionen des Boulevardblatts gegeben. Dass auch die Handys von Angehörigen von Verbrechensopfern und Hinterbliebenen getöteter Soldaten abgehört wurden, kam allerdings erst in den vergangenen Tagen heraus.
Cameron räumte am Freitag in einer extra einberufenen Pressekonferenz ein, dass die Presseaufsicht in Großbritannien versagt habe. Er kündigte zwei umfassende öffentliche Untersuchungen an. Die eine soll sich mit dem Abhörskandal um „News of the World“ beschäftigen, die anderen mit der Aufsicht über die Presse. Die Leitung soll ein Richter übernehmen. Alle hätten es sich im Umgang mit der Presse „behaglich“ gemacht, sagte Cameron.
Cameron: „Wir stecken da alle mit drin“
„Die Wahrheit ist, wir stecken da alle mit drin“, erklärte Cameron. Die Parteiführer seien zu sehr darauf aus gewesen, die Unterstützung der Zeitungen zu bekommen. Dadurch sei man auf einem Auge blind geworden. „Die Menschen an der Macht wussten, dass da etwas nicht in Ordnung ist, aber sie haben nicht schnell genug etwas dagegen getan.“
Cameron rief auch seine persönliche Freundin Rebekah Brooks, eine frühere Chefredakteurin des Blatts auf, von ihrem Posten als Chefin von News International, dem britischen Arm von Murdochs Konzern News Corp. zurückzutreten. Es gebe auch Fragen, die James Murdoch, der Sohn und designierte Nachfolger von Rupert Murdoch beantworten müsse, erklärte Cameron. „Alles, was passiert ist, wird untersucht.“
Für Murdoch steht viel auf dem Spiel
Auch für Murdoch steht in dem Skandal einiges auf dem Spiel. Er braucht von der britischen Regierung die Genehmigung für die vollständige Übernahme des Fernsehsenders British Sky Broadcasting (BSkyB), die zwölf Milliarden Pfund (13,4 Milliarden Euro) wert ist, weit mehr als die britischen Zeitungen des Medienkonzerns. Cameron deutete an, eine Entscheidung dazu werde vermutlich vertagt. Die Aktie von BSkyB gab bis zum Mittag weitere 4,6 Prozent nach - der Marktwert des Unternehmens ging damit um rund 600 Millionen Pfund (673 Millionen Euro) zurück.
Cameron entschuldigte sich bei der Pressekonferenz aber nicht, wie von der Opposition gefordert, dafür, dass er Coulson als Kommunikationschef einstellte. Dieser trat erst im Januar angesichts des öffentlichen Drucks durch die Ermittlungen über die Abhöraffäre von seinem Amt zurück. Schon 2007 waren zwei Beschäftigte von „News of the World“ wegen des Abhörens von Telefonen der königlichen Familie zu Haftstrafen verurteilt worden. Bereits damals wurde aber auch heftige Kritik an der Polizei laut. Sie sei entweder inkompetent oder bestochen, hieß es. (dapd/afp)