Berlin. . Trotz des beschlossenen Atomausstiegs halten die Bundestagsfraktionen von SPD und Grüne an ihrer Verfassungsklage gegen die im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke fest.
Trotz des beschlossenen Atomausstiegs halten die Bundestagsfraktionen von SPD und Grüne an ihrer Verfassungsklage gegen die im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke fest.
SPD und Grüne halten auch nach dem beschlossenen Atomausstieg an ihren Klagen gegen die im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung für AKW fest. Hauptgrund: die Änderung des Atomgesetzes durch die Bundesregierung. Sie hatte im Zuge der Laufzeitverlängerung den Paragrafen 7d eingeführt und ihn auch beim Atomausstieg beibehalten. Er schreibt vor, dass AKW-Betreiber nach dem fortschreitenden Stand von Wissenschaft und Technik dafür zu sorgen haben, dass Sicherheitsvorkehrungen verwirklicht werden.
Diese neu eingeführte „eigenständige Sorgepflicht“ interpretieren SPD und Grüne als Absenkung der Sicherheitsstandards. Bislang mussten AKW-Betreiber „bestmögliche“ Risikovorsorge treffen. Schreitet die Technik für erhöhte Sicherheit voran, müssen die Betreiber automatisch nachrüsten. Diese Pflicht sieht die Opposition mit dem neuen Paragrafen aufgeweicht.
Auch die SPD-geführten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg und Bremen halten ihre Verfassungsklage gegen die Laufzeitverlängerung aufrecht. Das bestätigte das NRW-Umweltministerium. Die Länder hatten geklagt, weil sie der Meinung sind, dass der Bundesrat der Laufzeitverlängerung hätte zustimmen müssen.
Auch Greenpeace hält an der Klage fest
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte bereits vor den Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat angekündigt, seine Klage weiter zu verfolgen. Auch Greenpeace zielt mit seiner Klage auf die Abschaffung des Paragrafen 7d des Atomgesetzes.
Die Klagefortführung von SPD und Grünen hat auch eine sogenannten Reservefunktion. Für den – zurzeit allerdings recht unwahrscheinlichen – Fall, dass die Stromkonzerne gegen den Atomausstieg vor Gericht ziehen und dort Erfolg haben, wäre die von Schwarz-Gelb beschlossene Laufzeitverlängerung wieder in Kraft, wenn SPD und Grüne ihre Klagen zuvor zurückgezogen hätten.
Mit dem Votum des Bundesrats für den Atomausstieg steht nun nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten aus, bevor das Gesetz in Kraft treten kann. Laut Gesetz bleiben acht bereits abgeschaltete alte Reaktoren vom Netz. Neun weitere Kernkraftwerke werden bis Ende 2022 stillgelegt. Mehrere Ministerpräsidenten würdigten den gefundenen Konsens als historisch.
An den sieben Energie-Begleitgesetzen zum Atomausstieg kam vor allem von SPD-geführten Länder teils heftige Kritik. Letzten Endes fehlte aber die Mehrheit zur Anrufung des Vermittlungsausschusses. Denn die Bundesregierung hat in Protokollerklärungen bereits Nachbesserungen in Aussicht gestellt.
Eine Zustimmung des Bundesrats wäre nur für die Steuervorteile nötig gewesen, die die Regierung für Einbau von Dämmungen oder neue Heizungen geben will. Die Regelung fand keine Mehrheit, zumal sie Kosten für die Länder bedeutet. Möglich ist nun ein Vermittlungsverfahren auf Initiative der Bundesregierung.
SPD-Seite erbost
Hatte sich noch Anfang Juni ein breiter Konsens von Bund und Ländern abgezeichnet, so kam jetzt von SPD-Seite heftige Kritik. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) nannte die Pläne zum Ausbau der erneuerbaren Energien unzureichend. Den unionsgeführten Ländern warf er vor, vor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeknickt zu sein. Ähnlich äußerten sich seine Parteikollegen, darunter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft aus Nordrhein-Westfalen und Wirtschaftsminister Matthias Machnig aus Thüringen.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann brachte abermals eine bessere Vergütung für Windkraft an Land ins Gespräch. „Es gibt einiges noch zu korrigieren und nachzubessern“, sagte der Grünen-Politiker.
McAllister für Entsorgungskonsens
Die Unions-Ministerpräsidenten bekannten sich zwar zu Merkels neuer Linie in der Energiepolitik. Dennoch ließen auch sie Kritik und Bedenken anklingen. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) äußerte Zweifel am anvisierten Tempo des Atomausstiegs und der Energiewende. Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) mahnte einen Konsens auch zur Atommüllentsorgung. Nötig sei ein „transparentes und ergebnisoffenes bundesweites Suchverfahren unter Einschluss von Gorleben“.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff kündigte als derzeitiger Chef der Ministerpräsidentenkonferenz an, penibel auf die Einhaltung der Protokollnotizen der Bundesregierung zu achten. Auch er zeigte sich unzufrieden mit der Regelung zur Förderung der energetischen Sanierung.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) verteidigten das Gesamtpaket der Regierung in der Länderkammer noch einmal. Es sei „überlegt und strukturiert“ und umfasse neben dem Ausstieg aus der Atomenergie auch den Einstieg in neue Erzeugungskapazitäten, sagte Rösler. Auch Röttgen sprach von einer grundsätzlichen und positiven Weichenstellung und versicherte, die Energiepolitik müsse permanent angepasst werden. Sie sei „nicht in Stein gemeißelt“. (mit Material von dapd)