Stuttgart. . Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hat eine einstweilige Anordnung gegen den Weiterbau des Bahnprojekts „Stuttgart 21“ beantragt. Nach der Erstürmung der Baustelle will die Polizei ihren bisherigen Kurs beibehalten. „Wir wollen keine Wasserwerfer einsetzen“.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Baden-Württemberg hat beim Verwaltungsgericht Stuttgart eine einstweilige Anordnung gegen den Weiterbau des Bahnprojekts „Stuttgart 21“ beantragt. Der Eilantrag richtet sich gegen das Eisenbahn-Bundesamt. Es soll der Deutschen Bahn anordnen, alle weiteren Baumaßnahmen mit sofortiger Wirkung zu untersagen, wie BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß am Dienstag sagte.

Die Bahn habe vor wenigen Tagen die Bauarbeiten wieder aufgenommen, ohne die Genehmigung der beantragten Änderungen am Grundwassermanagement abzuwarten. Vor kurzem war bekannt geworden, dass die Deutsche Bahn fast die doppelte Menge Grundwasser bei den Bauarbeiten abpumpen will. Als Grund wurde genannt, dass der Untergrund im Umfeld der Baugrube durchlässiger sei als bisher angenommen. Ob es hierfür allerdings eine rechtliche Grundlage gibt, ist umstritten.

BUND hält Vorgehen der Bahn für rechtswidrig

Der Baustopp muss laut Frieß solange gelten, bis in einem neuen Planfeststellungsverfahren über die Anträge der Deutschen Bahn auf erhöhte Grundwasserförderung und -entnahme rechtswirksam entschieden wird.

BUND-Rechtsanwältin Sylvia Pilarsky-Grosch sagte, das Vorgehen der Bahn sei eindeutig rechtswidrig. „Die Absicht, etwa doppelt so viel Grundwasser wie ursprünglich geplant zu entnehmen, ist wesentlich, hat erheblichen Einfluss auf die Gesamtabwägung des Vorhabens und berührt somit die Grundzüge der gesamten Planung von Stuttgart 21“, erklärte sie.

Dem widersprach ein Zusammenschluss von Juristen für „Stuttgart 21“. Die Grundwasserentnahme sei ein selbstständiges Element und führe neben der Planfeststellung ein rechtliches Eigenleben, teilten 65 Juristen in einer Presseerklärung mit.

Polizei will nach „Stuttgart 21“-Krawallen Kurs beibehalten

Nach der Erstürmung einer Baustelle des umstrittenen Bahnprojekts „Stuttgart 21“ am Montag will die Stuttgarter Polizei ihren bisherigen Kurs beibehalten. „Wir wollen keine Wasserwerfer einsetzen“, sagte der Stuttgarter Polizeipräsident Thomas Züfle am Dienstag bei einer Begehung der Baustelle. Dennoch könne er dies angesichts gewaltbereiter Aktivisten nicht ausschließen. Außerdem könnten bei aggressiven Protesten Hiebwaffen oder Reizgas zum Einsatz kommen.

Der bisherige Kurs habe vorgesehen, dass die Polizei die Aktivisten zunächst anspreche. Gegebenenfalls würden Aktivisten nach einer zweiten Aufforderung, ein Gelände zu verlassen, weggetragen, ihre Personalien würden festgestellt und es würde eine Anzeige wegen versuchter Nötigung erhoben. Den Einsatz von Zwangsmitteln habe er aber nie ausgeschlossen, sagte Züfle.

Polizei von Demonstrationsverlauf überrascht

In der Nacht zum Dienstag hatten mehrere hundert Aktivisten eine Baustelle des Bahnprojekts nach einer Demonstration gestürmt. Dabei wurden laut Polizei neun Polizisten verletzt. Für die Einsatzkräfte sei diese Wendung nach der geordneten Demonstration unerwartet gekommen, sagte Züfle. „Wir gingen von einem total friedlichen Verlauf aus“, erläuterte er. Die vorausgegangenen Einsätze hätten die Ereignisse von Montagnacht nicht impliziert.

Es habe eine latent aggressive Grundstimmung unter den Aktivisten gegeben, die „gekippt“ sei, als ein selbst gebauter Sprengkörper detoniert sei. Acht Polizisten hätten dabei Knalltraumata erlitten. Zudem sei ein Zivilbeamter von Aktivisten mit Schlägen und Tritten schwer verletzt worden. Im Zusammenhang mit diesem Vorfall wurde laut der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag gegen unbekannt eingeleitet.

Die Polizei habe während des gesamten Demonstrationsverlaufs gefilmt. Das Videomaterial werde jetzt ausgewertet. Züfle erhofft sich weitere Hinweise darauf, wer an den Vorfällen beteiligt war.

Siebenstelliger Sachschaden durch Krawalle

Bei den Krawallen wurde ersten Schätzungen zufolge ein siebenstelliger Sachschaden verursacht, sagte Züfle. Laut Polizei wurden zahlreiche Baustellenfahrzeuge teilweise stark beschädigt. Es seien Reifen zerstochen, Radmuttern abmontiert, Sand und Steine in die Benzintanks gefüllt, unzählige Kabel und Schläuche abgerissen sowie Wasserrohre zerstört worden.

Darüber hinaus werde bei zwei festgenommenen Personen die Beantragung von Haftbefehlen wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch erwogen, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Die beiden Personen seien aus einer größeren Menschenmenge heraus illegal in den Baustellenbereich eingedrungen und hätten dort einen Wasserturm bestiegen. Insgesamt wurden laut Polizei 16 Personen vorläufig festgenommen. (dapd)