Washington. Die Vereinigten Staaten und Lateinamerika nähern sich an, Barack Obama spricht von "gemeinsamen Interessen". Zudem lockerte die US-Regierung die Einschränkungen für Exil-Kubaner. Revolutionsführer Fidel Castro allerdings hat die Geste bereits als ungenügend zurückgewiesen.

Kubas Revolutionsführer Fidel Castro hat die von US-Präsident Barack Obama verkündeten Lockerungen gegenüber dem kommunistischen Inselstaat als nicht ausreichend kritisiert. Obama habe kein Wort über das seit 1962 geltende US-Embargo gegen Kuba verloren, schrieb Castro in einem Beitrag für die offizielle Website Cubadebate, der in der Nacht zum Dienstag veröffentlicht wurde. Dabei sei das Embargo «die grausamste aller Maßnahmen». Washingtons Entscheidung, dass in den USA lebende Kubaner von nun an Geld in unbegrenzter Höhe an Verwandte nach Kuba überweisen können, stieß bei dem kubanischen Ex-Staatschef ebenfalls auf Kritik. Kuba brauche keine «Almosen», schrieb er.

Castro forderte Obama auf, «seine Talente für eine konstruktive Politik» zu nutzen, die mit der gescheiterten Kuba-Politik der USA in den vergangenen Jahrzehnten breche. Zu den Erleichterungen, die Obama am Montag verkündet hatte, zählt auch, dass Exil-Kubaner nun ohne Beschränkungen ihre Angehörigen in Kuba besuchen können. Außerdem wurde US-Unternehmen erlaubt, Verbindungen per Satellit und Glasfaserkabel nach Kuba aufzubauen.

Reisebeschränkungen aufgehoben

Der US-Präsident hatte zuvor einen Teil der seit Jahrzehnten bestehenden Kuba-Sanktionen aufgegeben: Die 1,5 Millionen Exil-Kubaner in den USA sollen wieder unbegrenzt in ihre Heimt reisen und Geld dorthin überweisen dürfen. Zuletzt durften sie nur alle drei Jahre reisen.

Auch Geschenkpakete sollen künftig verschickt werden dürfen, und US-Telekommunikationsunternehmen dürfen künftig in Kuba tätig sein. Rund 1,5 Millionen US-Amerikaner haben Familienangehörige auf der Karibikinsel.

Exil-Kubaner als "Botschafter der Freiheit"

Obama hatte sich bereits als Präsidentschaftskandidat für eine Lockerung der Bestimmungen zu Kuba ausgesprochen. «Es gibt keine besseren Botschafter der Freiheit als Amerikaner kubanischer Abstammung», erklärte er im vergangenen Mai in Miami, wo tausende US-Kubaner leben. Deren Geldüberweisungen könnten die Familien weniger abhängig vom Castro-Regime machen, sagte Obama damals.

«US-Präsident Barack Obama wünscht sich mehr Freiheiten für das kubanische Volk», erklärte Präsidentensprecher Robert Gibbs. Dazu sollten die nunmehr genehmigten Maßnahmen beitragen. Um wirkliche Freiheit für alle Kubaner zu erreichen, müsse allerdings die Regierung des Inselstaats noch einige Veränderungen einleiten.

Handelsembargo bleibt bestehen

Obama hat nach Regierungsangaben jedoch zunächst nicht vor, das Handelsembargo gegen den kommunistischen Staat zu lockern. US-Bürgern nicht-kubanischer Abstammung bleiben Reisen auf die Insel weiterhin verwehrt. Nach Castros Machtübernahme 1959 waren die Beziehungen zu dem Inselstaat eingefroren worden. Eine Aufweichung der Blockadehaltung und womöglich auch des US-Handelsembargos ist im Kongress heftig umstritten, zumal unter Abgeordneten kubanischer Abstammung.

«Unsere große Nation sollte immer für die Freiheit der Menschen und für Demokratie stehen und sich Regimen widersetzen, die unterdrücken und morden», sagte der demokratische Senator von New Jersey, Robert Menendez, im April in einer Parlamentsdebatte. Menendez ist Sohn kubanischer Einwanderer.

Ende des Schwarz-Weiß-Denkens

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch begrüßte den Schritt und erklärte, weitere müssten folgen. Wenn Obama einen Wandel auf Kuba unterstützen wolle, müsse die Regierung ihre unilaterale Haltung aufgeben, sagte ein Sprecher der Organisation, José Miguel Vivanco.

Mauricio Cardenas vom Politik-Institut Brookings in Washington sieht Anzeichen für eine Wende. «Die USA werden den Kontinent nicht mehr in Freunde und Feinde einteilen», sagt der Lateinamerika-Experte. Die Lockerung des Kuba-Embargos sei ein wichtiges Signal: «Das kann die Glaubwürdigkeit der USA in der Region stärken.» Nach einem Abstecher in Mexiko wird Obama am Wochenende im Inselstaat Trinidad auf dem «Gipfel der Amerikas» mit 33 Staatschefs des Kontinents zusammentreffen. Der Wandel im Umgang mit Kuba, das nicht eingeladen ist, dürfte ein wichtiges Thema sein.

Charmeoffensive ringsherum

Überhaupt ist Charme die neueste Waffe im Arsenal der Washingtoner Diplomatie - und US-Präsident Barack Obama macht davon regen Gebrauch. Nach seiner Charisma-Offensive in Europa und der Türkei bricht Obama am Donnerstag zu seiner ersten Reise nach Lateinamerika auf, wo sich neue Linksregierungen gegen den traditionellen Vormachtanspruch der USA stemmen.

Obama spricht nun von «gemeinsamen Interessen» mit Lateinamerika etwa beim Kampf gegen die Weltwirtschaftskrise, bei der Drogenbekämpfung und beim Ausbau erneuerbarer Energien. Er will den kritischen Nachbarn nach langer Entfremdung die Hand reichen, als Geste des guten Willens lockerte er am Montag das Reise-Embargo für Kuba.

Die bleierne Zeit der USA-freundlichen Militärdiktaturen, die Lateinamerika in den 70er und 80er Jahren im Würgegriff hielten, ist in den vergangenen Jahren einer Phase der ideologischen Polarisierung gewichen. Linksgerichtete Regierungen etwa in Venezuela, Bolivien, Ecuador und Nicaragua brachten sich an der Seite des kubanischen Altrevolutionärs Fidel Castro gegen die USA in Stellung. Ihnen kam zugute, dass Obamas Vorgänger George W. Bush als Karikatur des rauflustigen Gringo-Imperialisten ein perfektes Feindbild abgab.

Obama bemüht sich um Anerkennung in Lateinamerika

Obamas Neuansatz ist Ergebnis einer kritischen Bestandsaufnahme: Unter seinem Vorgänger haben die USA in Lateinamerika an Einfluss verloren. Länder wie Brasilien und Venezuela füllen das Vakuum und führen sich als Wortführer auf. Russland und China fassen wirtschaftlich und politisch Fuß. Venezuela bot Russland im März einen Luftwaffenstützpunkt an, Ecuador entzog den USA einen wichtigen Stützpunkt. Mehrere Länder der Region wiesen hochrangige US-Diplomaten unter Spionage- oder Umsturzverdacht aus.

Beflissen bemüht sich Obama um Anerkennung in Lateinamerika. Auf die Frage nach den Zielen erwähnt Obamas Lateinamerika-Berater Jeffrey Davidow «soziale Gerechtigkeit schaffen, den Stimmlosen eine Stimme geben, Armut bekämpfen.» Das sind neue Töne, als Verbündeter der Sozialreformer in Lateinamerika hatten sich die USA bislang nicht profiliert. Davidow sieht in der Region ein Gerechtigkeitsdefizit. «Die Wirtschaftsentwicklung hat weiten Teilen der Bevölkerung nicht genug Wohlstand gebracht», sagt der Diplomat.

Auch Chávez weist die Avancen zurück

Venezuelas scharfzüngiger Staatschef Hugo Chávez, den Obama in Trinidad erstmals treffen wird, ließ die Avancen bislang abblitzen. «Obama, ich rate Dir, den Weg des Sozialismus zu nehmen», sagte er im März in einer Rede. «Warum unterstützst Du die Reichen, die Imperialisten?»

Viele Beobachter freilich sehen den Provokateur Chávez und seine Verbündeten unter Druck. Zum einen, weil der Ölpreis einbricht - und damit die finanzielle Grundlage von Chávez' Außenpolitik. Zum anderen, weil die Profilierung ohne das Feindbild USA schwerer fallen wird. «Chávez wird nicht die gleichen Argumente gegen die USA nutzen können wie unter Bush», sagt Brookings-Experte Cardenas. «Obamas biografischer Hintergrund, sein Stil machen es schwierig, ihn als Unterdrücker abzustempeln.» (afp/ap)

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