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Drei prominente Akademiker haben die Plagiatejäger in kurzer Zeit zur Strecke gebracht: Nach Karl-Theodor zu Guttenberg wurde auch der Stoiber-Tochter Veronica Saß der Dr. jur. aberkannt. Die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin trat von allen Ämtern zurück, nachdem auch ihre Promotion ins Visier geriet.
Nach diesen Erfolgen werde sich das Interesse auf andere richten, glaubt der Eliteforscher und Soziologe Prof. Michael Hartmann von der TU Darmstadt. „Wer geschummelt hat und sich in einer prominenten Position befindet, sollte lieber an die Öffentlichkeit gehen. Das ist besser, als erwischt zu werden.“ Die Jagd werde weiter gehen, „der Reiz, Promis zu entlarven, ist groß.“
Der Verdacht bestehe am ehesten bei Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern, so Hartmann. „Das sind Massenfächer und dort haben Karrierepromotionen eine lange Tradition. Manche schreiben ab oder lassen die Arbeit von einem Ghostwriter verfassen. Es gibt Leute, die das professionell anbieten.“
Karrierepromotionen gab es immer
Den Typus der Karrierepromotion, die also nicht dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn gewidmet ist, sondern dem beruflichen Fortkommen, dem Image oder auch der Eitelkeit, habe es immer gegeben, sagt Hartmann. „Plagiate gab es immer, doch war es viel mühsamer als heute.“ Man musste sich in die Bibliothek bemühen, Bücher wälzen und lesen – um sie dann abzuschreiben. Durch das Internet ist es heute viel einfacher geworden. Aber: Dadurch sind auch Plagiate leichter aufzudecken als früher.
Silvana Koch-Mehrin
Der Titel ist vor allem für Freiberufler enorm bedeutsam, und er macht sich auch bezahlt. Nach einer Kienbaum-Studie steige das Jahresgehalt mit dem Titel um durchschnittlich 10 000 Euro im Jahr, so Hartmann. Auch für Politiker spielt der Titel eine Rolle. Die Wertigkeit schwankt indes von Partei zu Partei, je nach Klientel, die bedient werden soll. Hartmann: „In der FDP ist der Titel sicher wichtiger als in der SPD oder bei den Grünen.“
Abschreiben schwerer machen
Wie begehrt ein akademischer Titel für viele Berufstätige ist, können die Initiatoren der satirisch gemeinten Internet-Seite „www.titel-kaufen.de“ an den Klicks ablesen. Seit August 2009 registrierten sie 3000 ernsthafte Anfragen, obwohl deutlich zu erkennen sei, dass es sich um eine Satire-Seite handelt, sagen die Betreiber. Erschreckend sei, dass besonders viele Juristen unter den Interessenten seien.
„Abschreibern muss es schwerer gemacht werden“, fordert nicht ganz ohne Selbstkritik jetzt der Deutsche Hochschulverband (DHV), die Berufsvertretung von rund 26 000 Wissenschaftlern. „Die Unkultur des Wegsehens ist falsch verstandene Kollegialität und selbst ein wissenschaftliches Fehlverhalten“, sagt DHV-Präsident Bernhard Kempen.
„Wider die Plagiate“
In einer Resolution mit dem Titel „Wider die Plagiate“ werden Professoren und Prüfungsämter aufgefordert, Seminar- und Anschlussabreiten auf Plagiate zu überprüfen. Die Hochschulen sollen Arbeiten in Zukunft auch in digitaler Form annehmen, damit die Texte schneller auf kopierte Passagen geprüft werden können. Zudem sollen die Unis „weisungsunabhängige Kommissionen“ einrichten, die in Verdachtsfällen „von Amts wegen“ tätig werden.
Zugleich will der Verband indes Denunziantentum und böswilligen Rufschädigungen vorbeugen und mahnt daher einen „verantwortungsvollen Umgang“ mit dem Plagiats-Vorwurf an. Aber: Wer zu Recht den Finger hebt, dürfe auch nicht als „Nestbeschmutzer“ diffamiert werden.