Brüssel.

Mit „Respekt, Betretenheit und großer Stille“ reagierten Politiker im Europa-Parlament auf den Rücktritt der FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin. Sie hatte am Mittwoch nach Plagiatsvorwürfen um ihre Doktorarbeit ihre Posten geräumt.

Als der Vorsitzende Guy Verhofstadt seiner liberalen Fraktion (ALDE) am Dienstagabend eröffnete, die Kollegin Silvana Koch-Mehrin lege ihre Führungsposten im Europa-Parlament (EP) nieder, hätten „Respekt, Betretenheit und große Stille” geherrscht, berichtet ein Anwesender.

Zwei Mitstreiter, der Brite Edward MacMillan-Scott und die Schwedin Lena Ek, ergriffen das Wort und lobten die Arbeit der scheidenden EP-Vizepräsidentin, die auch als Chefin der FDP-Gruppe in der Fraktion abtritt. Koch-Mehrin, der Promotionserschleichung verdächtigt, ist bei den eigenen Leuten durchaus wohlgelitten.

Von der politischen Konkurrenz bekommt man Sticheleien über den angeblich verhaltenen Arbeitseifer und hemmungslosen Talkshow-Populismus der Dame frei Haus geliefert. Im eigenen Lager hingegen weiß man die Talente der 40-Jährigen sehr wohl zu schätzen: Sie sei eine geschickte Moderatorin, die es verstehe, die unterschiedlichen Temperamente des FDP-Dutzends im EP zusammenzuführen. Und sie agiere, anderslautenden Gerüchten zum Trotz, auch „nicht als Guidos Westerwelle beste Freundin in Europa”. Wenn es unter den Kollegen Neid gibt auf Koch-Mehrins Außenwirkung, so lässt sich das jedenfalls keiner anmerken.

Nun ist erst mal Schluss mit blond

Von der Popularität der blonden Frontfrau haben schließlich beide Seiten Nutzen gehabt, auch die Fraktionsfreunde, die sich insgeheim für smarter halten. Die gediegenen elf Prozent bei der letzten Europa-Wahl 2009 verdanken die Liberalen nicht zuletzt der Zugkraft der Spitzenfrau, deren Konterfei damals von jedem zweiten Baum in die Republik lächelte. Nun ist also erst mal Schluss mit blond.

Für wie lange, hängt stark vom Ausgang des Prüfverfahrens der Uni Heidelberg ab. Wenn Koch-Mehrin der Doktortitel aberkannt wird, dürfte sie Mühe haben, ihr Abgeordnetenmandat zu behalten. „Dann werden wir fordern: Was für den Baron gilt, muss auch für Silvana gelten”, heißt es bei den Christdemokraten mit Blick auf den Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Wenn aber Koch-Mehrins Strategie „alles anders als bei Guttenberg” bis zum Ende trägt, ist selbst ein Comeback als Spitzenkandidatin nicht ausgeschlossen.

Entscheidung über die Nachfolge soll Ende Mai fallen

Um die Nachfolge an der Spitze der FDP-Gruppe bewerben sich „die beiden Alexander”, der Außenpolitiker Graf Lambsdorff und der innenpolitische Sprecher Alvaro. Die Entscheidung soll am 23. Mai auf einer Klausurtagung in Brüssel fallen. Ob die Liberalen auch Koch-Mehrins Platz im EP-Präsidium retten können, ist indes ungewiss. Dort stehen der ALDE-Fraktion zwei Vertreter zu.

Weil MacMillan-Scott während der Legislaturperiode von den Konservativen zu den Liberalen gewechselt war und dabei seinen Vize-Posten mitgenommen hatte, waren die Liberalen überrepräsentiert. Die Konservativen werden den verlorenen Präsidiumssitz wieder für sich reklamieren.